Hexenheide
ausgehöhlt, wie Marit das zu Hause gemacht hat. Es war ihre Idee gewesen, und Lenne hilft stolz, sie in die dunkelsten Ecken zu stellen, denn heute Abend sollen darin kleine Lichter brennen.
»Nicht unter die Papiergirlanden, sonst geht der ganze Kram in Flammen auf!«, warnt Marit.
»Karim, kommst du mal mit und hilfst mir draußen?«, bittet Herr Paul.
»Draußen?«, fragt Karim. »Machen wir draußen auch was?« Er geht hinter Herrn Paul her zum Fahrradschuppen.
»Die hier müssen auf den Schulhof.«
»Was sind das für Dinger?«
»Feuerkörbe! Kennst du die nicht?«
Karim schaut sich die schwarzen gusseisernen Körbe an. »Boah! Kann man da echt Feuer drin machen?«
»Natürlich! Dafür werde ich ganz persönlich sorgen.« Der Lehrer versetzt Karim einen verschwörerischen Stoß. »Schön die Flammen schüren. Hilfst du mir dann?«
»Na klar!« Karim grinst. Das muss nachher, wenn es dunkel ist, ein tolles Bild geben! Es gibt zwei Feuerkörbe, und Karim und Herr Paul überlegen gemeinsam, wo jeweils der beste Platz dafür wäre.
»Sie müssen frei stehen und ein bisschen Platz haben«, erklärt Herr Paul. »Einer da nach links und einer auf der rechten Seite? Dann stehen sie auch nicht im Weg, wenn die Leute von dort auf den Schulhof kommen und zum Eingang wollen.«
Karim nickt.
»Also dann stellen wir den hierhin. Gut. Und dann holen wir noch den anderen.«
Karim rennt schon zum Fahrradschuppen vor. Das ist ein kleines dunkles Gebäude ohne Fenster. Ein paar Räder von Lehrerinnen und Lehrern stehen da und sonst nur noch Kartons mit Altpapier. Der zweite Feuerkorb steht auf einem großen Karton. Karim traut sich nicht, ihn alleine herunterzuheben, die Dinger sind ordentlich schwer. Er dreht sich zur offen stehenden Tür um und wartet auf den Lehrer.
Mitten in der Türöffnung sitzt eine pechschwarze Katze.
Mit gerunzelter Stirn schaut Karim sie an. »Langsam kann ich die Viecher nicht mehr ausstehen«, murmelt er. »Die sind ja wirklich überall!« Vielleicht saßen sie ja immer schon überall herum, doch das war ihm früher nicht so aufgefallen. Karim wendet dem Tier den Rücken zu und geht einen Schritt auf den Feuerkorb zu. Wo bleibt denn der Herr Paul nur?
Eine blasse Herbstsonne steht am Himmel, die direkt in den Schuppen scheint. Karim sieht, wie der Schatten der Katze über den Boden und auf die Kartons fällt. Ein lang gestreckter Schatten. Weil die Sonne so niedrig steht? Karim wirft einen Blick über die Schulter.
Die Katze sitzt in aller Gemütsruhe mitten auf der Schwelle, stolz und aufrecht, den Schwanz um die Pfoten gelegt. Hochmütig sieht sie Karim an.
Mit dem Blick folgt er dem Schatten, einer lang gestreckten grauen Form, die sich über den Boden und die Kartons bis auf die Wand erstreckt. Mit ein bisschen Fantasie könnte das ebenso gut der Schatten eines Menschen sein, denkt Karim. Aber eigentlich ist da gar keine Fantasie notwendig. Der Leib, der könnte eine Frau in einem Kleid sein, denkt Karim. Und dann ist da der Kopf auf der Mauer. Ein runder Kopf. Aber ein runder Kopf, das passt eigentlich nicht. Eine Katze hat zwei spitze Ohren. Karim kneift seine Augen etwas zusammen. Wo sind die Ohren des Katzenschattens? Im selben Moment, als sich Karim blitzschnell zu der Katze umdreht, springt das Tier nach draußen in die Sonne. Karim spürt sein Herz in der Kehle schlagen.
Herr Paul erscheint in der Türöffnung. »Ich habe ihn doch noch ein Stück weiter weg gestellt, kam mir sicherer vor.«
Karim sieht seinen Lehrer an, ohne etwas zu sagen. Die Gedanken wirbeln ihm durch den Kopf. Eine Frau in einem Kleid, ein runder Kopf. »Wie, was?«, stammelt er dümmlich.
Herr Paul lacht. »Du wirkst, als hättest du gerade ein Gespenst gesehen.«
Nein, eine Hexe mit kahlem Kopf, denkt Karim. Er sagt: »Nein, eine schwarze Katze.«
»Ui!«, gruselt sich Herr Paul. »Kommt ja wie gerufen.«
Karim schluckt und zwingt sich zu einem matten Lächeln. »Ja, sie war schon ein unheimliches Vieh.« Oder vielleicht hab ich einfach zu viel Fantasie.
Als er dann kurze Zeit später wieder draußen steht, ist die Katze nirgendwo zu sehen.
»Und jetzt füllen wir sie«, sagt Herr Paul. »Magst du Papier zusammenknüllen? Da im Schuppen gibt es genug.«
Karim will schon Papier zerknüllen, doch nur mit dem Lehrer dicht in seiner Nähe. Er hat keine Lust, auch nur eine Sekunde länger in dem Schuppen zu bleiben. Daher schleppt er einen Stapel alter Zeitungen nach draußen. Als er Lenne in der
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