Hexenjagd in Lerchenbach
ein so hübsches Gesicht sehen.“
„Kommt nicht in Frage!“ sagte Tarzan
hart. „Und ich hoffe, Sie denken ein bißchen mit. Sind Sie sich darüber im
klaren, in welche Gefahr Sie Fräulein Götze damit bringen würden? Der
Einbrecher soll ein gefährlicher Bursche sein, ist vermutlich gewalttätig. Wenn
er liest, daß Fräulein Götze die einzige ist, die ihn identifizieren kann...
Ich wage gar nicht, daran zu denken, was dem einfallen könnte. Was ist, wenn er
irgendwie gewaltsam gegen sie vorgehen will? Ein Foto von Fräulein Götze würde
ihm sein Vorhaben noch erleichtern. Deshalb, Herr Loewe — und darauf mache ich
Sie vor Zeugen aufmerksam: kein Foto! Keine Namensnennung! Und wenn Sie, wie es
üblich ist, schreiben: Fräulein H. G., 25 Jahre und so weiter — dann verkneifen
Sie sich bitte den Zusatz, daß es sich um eine Studienreferendarin aus
Lerchenbach handelt. Fräulein Götze ist nämlich die einzige hier. Ihre
Identität wäre sonst schnell verraten.“
„Puh!“ meinte Loewe. „Du machst dich
aber stark. So heiß wird das doch alles nicht gegessen. Aber — hast eigentlich
recht. Ich werde auf Bild und Hinweise auf die Person verzichten. Den
Schwerpunkt lege ich auf die gefährliche Situation im Hinterhof.“
Damit war das Interview beendet.
Aber Loewe nahm sich noch ein zweites
gutbelegtes Brot, verabschiedete sich kauend und fuhr mit seinem staubgrauen,
völlig verdreckten Auto davon.
„Ich kenne nettere Reporter“, sagte
Gaby.
„Hoffentlich schreibt er keinen Unsinn.“
Helga war besorgt.
„Hat er Ihnen eigentlich den
Kugelschreiber zurückgegeben?“ erkundigte sich Karl.
„O Gott, nein! Daran habe ich gar nicht
mehr gedacht. Er wohl auch nicht. Hat ihn sicherlich in Gedanken eingesteckt
und...“
„Da liegt er“, sagte Tarzan. Seine Hand
wies zum Sekretär. Dort, auf der Schreibplatte, lag er.
„Ein Glück!“ Helga atmete auf. „Der ist
nämlich echt Gold. Also doch ein ehrlicher Mensch.“
Alle halfen ihr, den Tisch abzuräumen.
Dann gingen sie hinaus. Die Sonne lachte. Es war noch heißer geworden.
Helga tastete über ihren Hinterkopf.
Und Tarzan erkundigte sich, ob die Wunde gut verheilt sei.
„Alles bestens“, lachte Helga. „War ja
auch nur eine Winzigkeit.“
Auf dem großen Grundstück fiel eine
Menge Arbeit an. Karl übernahm es, mit dem elektrischen Rasenmäher das Gras
hinterm Haus zu kürzen. Klößchen fegte den Weg rings um den Teich, Helga und
Gaby schnitten die verwelkten Blüten von den Sträuchern der Heckenrosen. Und
Tarzan grub in Rekordzeit den kleinen Küchengarten um. Anschließend rodete er hinter
dem Teich zwei verwitterte Baumstümpfe aus dem Boden. Das war Knochenarbeit,
und dazu brauchte man Kraft.
Während einer Cola-Pause machte Helga
auf ihren Erzfeind aufmerksam.
Erwin Jocher, der Bauer, stand vor
seinem Haus.
Die Entfernung war beträchtlich.
Trotzdem konnte Tarzan erkennen, daß es sich um einen großen, massigen Mann mit
Kahlschädel handelte. Offenbar hatte er ein fleischiges Gesicht mit nicht
allzuviel Stirn. Er war hemdsärmelig. Die Weste spannte sich über einem prallen
Bauch.
Er sah herüber, minutenlang. Dann trat
er ins Haus zurück.
„Werden Sie was gegen Max unternehmen?“
fragte Tarzan. „Ich bezeuge jederzeit, daß er in heimtückischer Weise auf Sie
geschossen hat.“
„Vielen Dank, Tarzan. Aber“, sie
schüttelte den Kopf, „es bringt ja doch nichts. Und um Genugtuung geht’s mir
nicht.“
Nach der Pause machten sie sich
gemeinsam daran, den morschen Bootssteg abzureißen.
*
Etwa zur gleichen Zeit lenkte der
Reporter Arno Loewe seinen Wagen durch die Innenstadt.
Freilich — so wie er jetzt aussah,
hätten ihn weder Helga noch die TKKG-Bande erkannt. Das heißt: an der Kleidung,
sicherlich. Doch ansonsten war er äußerlich verändert.
Die blonde Löwenmähne, eine Perücke,
lag im Handschuhfach und leistete dem Schnauzbart Gesellschaft — einem
anklebbaren Monstrum aus Kunststoffhaaren. Er trug auch die Brille nicht mehr
und hatte sich in einen rundköpfigen, mopsgesichtigen Typ mit spärlichem
Haarwuchs verwandelt.
Daß er nicht Loewe hieß, liegt auf der
Hand. Witzigerweise lautete sein wirklicher — aber keineswegs ehrlicher — Name:
Arnold Lamm.
Er war auch nicht Reporter, sondern
arbeitsscheu; und die Kamera — mit der er angedroht hatte, von Helga Fotos zu
machen — enthielt keinen Film.
Vor der Eckkneipe BEI OTTO waren
Parkplätze frei. Er sah sich um, ehe er ausstieg,
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