Hexenjagd
auch, dass die so genannten Gesellschafterinnen durchaus im Bilde waren und sich deshalb ihm gegenüber möglichst zuvorkommend verhielten. Allerdings war Celia weit davon entfernt, bei dieser allzu durchsichtigen Komödie mitzuspielen. Ihr war es völlig gleich, ob sie Nicholas gefiel oder nicht. Seine Aufmerksamkeit war zwar schmeichelhaft, gestand sie sich ein, aber auch anstrengend, denn wegen seiner fast schon penetranten Anhänglichkeit war sie gezwungen, mehr Zeit mit ihm zu verbringen, als ihr eigentlich lieb war, allein aus Höflichkeit. Dass ausgerechnet ihr gleichgültiges Verhalten sein Interesse geweckt und dann gefesselt hatte, verwunderte sie selbst am meisten. Dennoch dachte sie nicht im Traum daran, stolz auf diesen zweifelhaften Erfolg zu sein. Im Gegenteil fand sie diese Entwicklung eher lästig, denn allein deswegen hatte sie sich mittlerweile gegen einige üble Intrigen wehren müssen, welche aus purer Eifersucht von Seiten der anderen Damen gegen sie geführt worden waren. Nun, wenn man weder etwas zu gewinnen hoffte noch etwas zu verlieren hatte, konnte man durchaus gelassen bleiben, hatte sie bisher gedacht. Aber jetzt schien die Sache doch nicht mehr so einfach. Statt sich alsbald zu langweilen, weil sein Werben keinerlei Erfolg zeigte, wurde Nicholas immer – nun, aufdringlich war nicht unbedingt die beste Umschreibung für sein Verhalten, kam der Wahrheit aber ziemlich nahe.
Celia betrachtete nun den jungen Mann genauer, der mit offensichtlicher Bewunderung zu ihr aufsah, und konnte wieder einmal nicht entscheiden, was sie wirklich von ihm halten sollte. Seine hoch gewachsene Gestalt war nach der neuesten Mode in kostbare Stoffe gehüllt. Dunkelgrüner französischer Samt war zu Hose und Weste verarbeitet und mit reichhaltiger Goldfadenstickerei versehen worden. Das rüschenbesetzte Hemd aus feinster Seide leuchtete in hellem Kontrast dazu, denn es war blütenweiß und mit geklöppelter Spitze besetzt. Von den weißen Strümpfen über die aufwendig gearbeiteten Schuhe mit den kostbaren Schnallen wanderte Celias Blick wieder zu dem gut geschnittenen Männergesicht hinauf und blieb am Ende an seinem Mund hängen. Hübsch, stellte sie im Stillen fest. Er war wirklich schön anzuschauen mit seinen braunen Haaren, die oben zu einer kunstvollen Frisur aufgetürmt und im Nacken durch eine wertvolle Spange zu einem langen Zopf zusammengefasst waren. Das Gesicht und die dunkelblauen Augen waren überaus auffallend, wenn auch ein wenig ausdruckslos. Allein sein geckenhaftes Benehmen ging ihr sehr gegen den Strich, denn ihrer Meinung nach hatte ein Mann ernst und verantwortungsvoll zu sein.
Celia wollte schon zu einer Erwiderung auf Nicholas’ letzte Worte ansetzen, als sie den Tritt schwerer Reitstiefel vernahm. Unwillkürlich straffte sie sich, blieb jedoch stocksteif auf der Stelle stehen, während die Schritte nun unmittelbar hinter ihr verstummten.
„Victor! Mein lieber Junge!“ Hatte die alte Dame bisher sehr ärgerlich dreingeschaut, wirkte ihre Miene nun hocherfreut. „Hast du mir den versprochenen Wein mitgebracht?“
„Guten Tag, Madame. Nicholas.“
Die tiefe männliche Stimme verursachte ein kribbelndes Gefühl in der Magengegend der jungen Frau, die nicht wagte, ihren Kopf zu wenden. Seine Anwesenheit in ihrem Rücken schien einer körperlichen Berührung gleichzukommen, was selbstverständlich irrig war. Dennoch meinte sie, zudringliche Finger in ihrem Nacken zu spüren, und wandte sich nun hastig ab, um den Raum zu verlassen und damit die unmittelbare Nähe des Mannes zu fliehen. Dass ihre gemurmelte Entschuldigung ein unmutiges Stirnrunzeln bei der Herrin verursachte, bemerkte sie wohl. Dennoch beeilte sie sich, aus dem Salon zu kommen und zu ihrer kleinen Kammer hinaufzulaufen. Sie konnte nicht, nein! – sie wollte sich seiner Gegenwart nicht aussetzen, dachte sie. Es war … Seit einigen Wochen „beehrte“ Victor in immer kürzeren Abständen das Herrenhaus mit seiner Anwesenheit. Anfangs hatte er sie gar nicht beachtet, was sehr beruhigend gewesen war, weil sein unverhofftes Auftauchen stets für enormes Aufsehen bei den anderen Damen gesorgt hatte, so dass ihre eigene Verwirrung und Unsicherheit unbemerkt und deshalb unerkannt geblieben war. Doch dann waren seine Besuche plötzlich immer häufiger geworden – und zu ihrem Leidwesen schien er seine wahre Freude daran zu haben, ihr aufzulauern und sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit aus der Fassung zu
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