Hexenjagd
blieb stehen und drehte sich lächelnd zu der kleinen Frau um, die nun im Hauseingang stand.
„Entschuldigen Sie“, begann Frau Rosenbaum nervös. „Ich will Sie ganz bestimmt nicht aufhalten. Aber ich möchte Sie doch gern einladen. Ja, also, wissen Sie – Felix, mein Mann, ist nämlich heute siebzig geworden. Und ich wollte Sie fragen, ob Sie nicht heute Abend zu uns hinaufkommen würden. Er würde sich furchtbar darüber freuen, müssen Sie wissen. Oder haben Sie schon etwas anderes vor?“
„Ich komme gern“, versicherte Celiska erfreut. „Aber ich kann nicht genau sagen, ob ich pünktlich sein werde.“
„Das macht überhaupt nichts“, erwiderte Frau Rosenbaum sichtlich erleichtert. „Es ist ohnehin nur ein zwangloses Treffen. Allerdings bin ich nun heilfroh, dass noch eine Frau anwesend sein wird. Wenn Sie nämlich nicht könnten, stünde ich ganz allein in einer reinen Männergesellschaft da. Ist ganz schön anstrengend, so was!“
Die Tür stand sperrangelweit offen, also verzichtete Celiska aufs Klingeln. Vorsichtig näherte sie sich dem Wohnraum, aus der ihr ein Chor von verschiedenen Männerstimmen entgegenscholl. Die Herren sangen ein Geburtstagslied, erkannte sie amüsiert, allerdings waren ein paar Stimmen dabei, die auffallend kräftig und ziemlich misstönend klangen.
Die fröhliche Gesellschaft, deren sie dann ansichtig wurde, entlockte ihr ein leises Kichern: Herr Rosenbaum thronte auf seinem Stuhl am Kopfende des festlich gedeckten Esstisches und nahm die Hochrufe seiner Freunde – insgesamt sechs Herren in fortgeschrittenem Alter – mit stolzem Blick entgegen. Die Gesichter waren bereits ein wenig gerötet, denn man hatte schon einige Male auf den Gastgeber angestoßen. Allein das Antlitz der kleinen, zierlichen Frau, die sie in ihre Mitte genommen hatten, wirkte ein wenig blass und angespannt, was deutlich machte, wie unwohl sie sich im Moment fühlte.
Als Frau Rosenbaum Celiska bemerkte, löste sie sich mit einem zutiefst erleichtert anmutenden Lächeln aus der freundschaftlichen Umarmung eines ziemlich beleibten Herrn und eilte zu der jungen Frau, um sie zu begrüßen.
„Dem Himmel sei Dank“, seufzte die alte Dame. „Ich habe schon befürchtet, Sie würden es nicht mehr schaffen.“ Ihre Mieterin in Richtung ihres Mannes dirigierend, setzte sie kaum hörbar nach: „Können Sie mir die Herren ein wenig vom Leibe halten? Bitte! Ich muss unbedingt in die Küche, doch bisher hat man mich nicht gehen lassen. Sie wollten unbedingt weibliche Gesellschaft haben, also ist das Essen immer noch nicht fertig.“ Celiska nickte schmunzelnd. Bevor sie sich allerdings auf die Aufgaben einer Gesellschafterin konzentrierte, trat sie zu dem Geburtstagskind, überreichte ihr Geschenk und gratulierte mit einem kleinen Kuss zum Ehrentag.
Sie saßen schon beim Essen, da erklang die Haustürglocke.
Dass noch ein Gast erwartet wurde, hatte die junge Frau bereits aus der Anzahl der Gedecke geschlossen. Als sie jedoch den Eintretenden wiedererkannte, wich alles Blut aus ihren Wangen. Plötzlich schienen die Geräusche ihrer Umgebung in weite Ferne zu rücken, um dann wie durch Watte gedämpft zu ihr zurückzukommen. Selbst die Gesichter der fröhlichen Tafelrunde verschwammen zu einem einheitlichen Nebel. Sie fühlte ihre Hände zu Eisklötzen werden und klammerte sich zunächst Hilfe suchend an die Tischkante, tastete jedoch gleich weiter nach dem nächstbesten Gegenstand in der Hoffnung, dieser würde ihr mehr Halt und Sicherheit geben. Dabei entging ihr, dass der Neuankömmling dicht an ihren Stuhl herangetreten war, um sie als Nächstes zu begrüßen.
„Ist Ihnen nicht gut?“
Die tiefe, leicht vibrierende Männerstimme, die direkt neben ihrem Ohr ertönte, ließ Celiska wie unter einem Schlag zusammenfahren. Gleichzeitig spürte sie den Atem des Sprechers, der an ihrem Hals entlang strich, und meinte auf der Stelle aufspringen und davonlaufen zu müssen.
„Was? Nein … ja …“, stammelte sie. „Entschuldigen Sie.“ Die erschrockene Miene ihrer Gastgeberin registrierend, schimpfte sie sich sogleich eine rücksichtslose Ignorantin und bemühte sich daraufhin sichtlich um Haltung. Eine Hand um die blütenweiße Serviette gekrampft, langte sie mit der anderen nach ihrem Glas. „Es ist schon wieder gut“, versicherte sie mit belegter Stimme. „Alles in Ordnung. Wirklich!“ Zum Beweis lächelte sie die Anwesenden offen an, wobei sie tunlichst den Augenkontakt mit dem Neuankömmling
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