Hexenjagd
bringen.
Celia presste die Lippen aufeinander. Einerseits hasste und verachtete sie Victor, weil sie ihn für unbarmherzig und kalt hielt – sein Auftreten war womöglich noch arroganter als Nicholas’! Andererseits konnte sie sich seiner männlichen Ausstrahlung nicht entziehen, die in ihrem tiefsten Innern ein Chaos der Gefühle verursachte. Er wusste um seine Wirkung auf Frauen, stellte sie verbittert fest. Und er musste mittlerweile erkannt haben, dass sie ihm keineswegs so gelassen gegenüberstand, wie sie ihm gern weismachen wollte. Also gebrauchte er dieses Wissen gezielt, um sie immer wieder aufs Neue in Verlegenheit zu stürzen und ihr damit zu zeigen, wie unsinnig ihre zur Schau getragene Ignoranz ihm gegenüber war. Wann immer sich ihm die Möglichkeit bot, in ihre unmittelbare Nähe zu gelangen, nutzte er die Gelegenheit, nur um sie zu berühren – und amüsierte sich dabei köstlich über sie und ihre Ohnmacht, seinem Treiben ein Ende zu bereiten. Nie überschritt er die Grenzen des Anstands. Doch sobald seine Lippen sanft über ihren Handrücken strichen, während er sie in den Augen der anderen mit dem üblichen formellen Handkuss begrüßte, oder seine kräftigen Finger ihren Arm umfassten, weil er ihr angeblich behilflich sein wollte, sicherer zu gehen, glühte in seinen Augen stets der unergründliche Funke des Mutwillens. Sie fürchtete diese Momente, fand sich aber außerstande, sie zu vermeiden. Wäre sie nämlich für alle anderen sichtbar offen vor Victor zurückgewichen oder gar geflohen, hätte sie sich als unhöflich erwiesen und die darauf folgenden durchaus berechtigten Fragen der Herrin beantworten und somit höchst peinliche Erklärungen abgeben müssen. Aber das wollte sie nicht. Sie konnte gar nicht darüber sprechen. Selbst bei der obligatorischen Beichte mied sie dieses Thema, wohl wissend, dass es ein schweres Vergehen gegen die Gebote der Kirche war. Dennoch konnte sie es nicht. Nein, sie verfiel nicht der Lüge, denn das hätte bedeutet, dass sie eine weitere Sünde auf sich lud. Sie sprach einfach nicht über den Mann, der ihr Seelenheil bedrohte.
Ein Satansbraten, ja genau das war er!
Celia lief in ihrer Kammer auf und ab wie ein gefangenes Tier in einem Käfig. Es konnte nur Teufelswerk sein, dachte sie entsetzt. Wie sonst war es zu erklären, dass es sie so schamlos leidenschaftlich nach der Umarmung dieses Mannes verlangte? Und wie sonst, wenn nicht durch die Kraft der schwarzen Magie, konnte er sie derart in seinen Bann ziehen, dass sie selbst bei dem unglaublichen und haarsträubenden Gedanken, freiwillig auf seine sündhaften Wünsche einzugehen, noch nicht einmal Reue verspürte? Angst und Schrecken breiteten sich in ihrem Herzen aus, während sie daran dachte, wie sündig ihre Träume in letzter Zeit gewesen waren. Die Hölle schien nicht allzu weit von ihrer Kammer zu liegen. Predigte der Pfarrer nicht jeden Sonntag von der Kanzel, dass der Höllenfürst die Träume Unschuldiger nutzte, um sie zu verführen und auf seine Seite zu ziehen?
Mit Tränen der Verzweiflung in den schönen Augen warf sich die junge Frau auf die Knie und hob bittend die Hände zu dem Gemälde empor, welches neben dem Fenster hing und die Heilige Jungfrau darstellte. Immer wieder bat sie um Vergebung für ihr vermeintliches Vergehen und konnte sich dennoch die Sehnsucht nicht aus dem Herzen reißen. Er hatte sie buchstäblich verhext, erkannte sie am Ende schluchzend. Schon bei ihrer allerersten Begegnung hatte Victor sie mit seinen teuflischen Augen angesehen und im gleichen Atemzug nach ihrem Herzen gegriffen, obwohl er niemals seine Braut in ihr gesehen hatte! Nicholas war da ganz anders, schoss es ihr mit einem Mal durch den Kopf. Er machte zwar auch keinen Hehl aus seinem Wunsch, sie für sich zu gewinnen, doch war sein Ansinnen durchaus ehrenhafter Natur.
Celia verglich die beiden Männer unwillkürlich miteinander: Nicholas war ein freundlicher und umgänglicher Mensch, der immerzu darauf zu achten schien, sich gut zu benehmen und den anderen zu gefallen. Allein sein hübsches Äußeres machte ihm diese Aufgabe mehr als leicht. Victor dagegen war ein ernster, um nicht zu sagen, düsterer Mann, dem es offensichtlich große Freude machte, jeden vor den Kopf zu stoßen. Wann immer es ihm einfiel, tat er seine Meinung laut kund, auch wenn es unpassend und verletzend für die betreffende Person war. Er sagte bloß die Wahrheit, doch in so rauen Worten, dass manch eine Frau schockiert in
Weitere Kostenlose Bücher