Hexenjagd
aus, indem sie ein paar Schritte zur Seite ging. „Bitte“, bettelte er, „du musst mir glauben. Es wird nie wieder vorkommen.“
„Nein“, erwiderte sie nach außen hin so ruhig erscheinend, als ob ihr die ganze Sache tatsächlich völlig egal sei, „das wird es mit Sicherheit nicht, denn ich kündige. Und du wirst diese Kündigung auf jeden Fall akzeptieren, weil ich nämlich darauf bestehe.“ Er hatte sich zwar entschuldigt, dachte sie gleichgültig, aber seine Worte klangen platt und unglaubwürdig. Irgendwie konnte sie einfach nicht glauben, dass er es ernst meinte. „Bevor ich gehe, werde ich noch dafür sorgen, dass meine Nachfolgerin eingearbeitet wird. Und ab nächster Woche nehme ich meinen Resturlaub in Anspruch. Dann ist Schluss.“
„Aber … du …“ Nils rang sichtlich um Fassung. „Du kannst doch nicht einfach alles stehen und liegen lassen! Wie denkst du dir das denn?“, fragte er betroffen. „Gedenkst du auch die Verbindung mit mir sausen zu lassen?“, hakte er nach, weil Celiska sich unvermittelt weggedreht hatte und zum Fenster hinaus starrte.
„Das lag eigentlich nicht in meiner Absicht“, antwortete sie leise. „Aber wenn du eine Trennung willst, werde ich mich nicht querstellen. Schließlich muss man von der Sache überzeugt sein, um eine erfolgreiche Ehe führen zu können.“ Sie hörte ihn kommen, spürte seine Arme, die sich um ihre Schultern legten, konnte jedoch nicht reagieren. Stocksteif stand sie da und ließ sich seine Umarmung willenlos gefallen. Selbst als er sie zu sich herumdrehte, um sie zu küssen, reagierte sie nicht, sondern ließ ihn mit hängenden Armen gewähren.
„Du Dummchen“, murmelte Nils an ihren Lippen. „Wo denkst du hin? Ich würde keine bessere Frau finden. Außerdem liebe ich dich! Komm schon“, bat er, „schenk mir ein kleines Lächeln und sag mir, dass du mich nicht zum Teufel jagst!“ Während er so flehte, bemerkte er das zögernde Zucken ihrer Lippen, was er als ein Lächeln deutete, und seufzte erleichtert. „Gott sei Dank“, atmete er auf. „Ich dachte schon, ich stünde morgen Abend wie ein Idiot vor meiner Familie.“
Morgen Abend? Ach ja, erinnerte sie sich. Sie sollte ja den Rest des Redehof-Clans kennen lernen. Trotzdem würde sie jetzt ihre Kündigung schreiben, nahm sie sich vor. Und sobald sie ein Arbeitszeugnis in Händen hielt, würde sie sich um eine neue Stellung bemühen.
Obwohl sie ziemlich fertig war, ließ sich Celiska von Anna zu einem Spielabend überreden, weil sie meinte, dadurch ein wenig Abstand zu den Ereignissen des vergangenen Tages zu gewinnen. Und in der Tat: Sobald sie die Gedanken an die Arbeit und Nils zurückgedrängt hatte, ließ die Anspannung ein wenig nach – selbst Vincents Anwesenheit ließ sie völlig unberührt. In ihrem Innern kämpften so viele verschiedene Gefühle gegeneinander, dass sie mittlerweile nicht mehr wusste, welches überwog. Also ignorierte sie alle und konzentrierte sich stattdessen auf das Kartenspiel sowie die lockeren Gespräche mit ihren Gastgebern und Vincent.
Dass das alte Ehepaar sie ein wenig besorgt musterte, weil ihr Gesicht unnatürlich blass erschien, registrierte Celiska ebenso wenig wie die Tatsache, dass Vincent sie öfter berührte als unbedingt nötig war. Eigentlich sollte er bloß eine Karte aus dem Fächer ziehen, den sie ihm entgegenhielt, doch nutzte er diese Gelegenheiten immer wieder, um ihr Handgelenk zu fassen und für ein paar Sekunden festzuhalten, wobei er sich jedes Mal darüber beschwerte, dass sie die Karten vorzeitig wegzog. Sie lachte über sein gewollt entrüstetes Gesicht und ignorierte dabei bewusst das leise Prickeln, welches seine Finger auf ihrer Haut hinterließen. Sie konnte es selbst kaum verstehen, aber plötzlich konnte sie ihm völlig unbefangen gegenübertreten. Seine Späße brachten sie zum Lachen, was überaus angenehm war. Und seine offene und herzliche Art ließ sie glauben, einem Freund gegenüberzusitzen, der keinerlei Forderungen an sie stellen, geschweige denn ihr Vertrauen missbrauchen würde.
Es war schon ziemlich spät, als Celiska sich verabschiedete und zu ihrer Wohnung hinunterstieg, um todmüde in ihr Bett zu fallen.
Ein paar Minuten später wollte auch Vincent gehen.
„Warte mal.“ Herr Rosenbaum hielt seinen Neffen am Jackenärmel fest. „Kann ich dich mal kurz sprechen?“
Vincent sah überrascht zu seinem Onkel hinab, der einen ganzen Kopf kleiner war als er selbst, und konnte nicht
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