Hexenjagd
brauchte nur eine Sekunde, um den überraschten Ausdruck auf ihrem sorgfältig geschminkten Gesicht durch eine kühle Geschäftsmiene zu ersetzen. Und genau die gleiche Zeit benötigte sie auch, um eine glaubwürdige Erklärung für ihre Anwesenheit und ihr merkwürdig anmutendes Tun zu finden. „Ich habe nur diesen Ordner durchgesehen und alte Schriftstücke entfernt, weil sie nicht mehr gebraucht werden.“
„Ach ja?“ Celiska war mittlerweile so nahe herangekommen, dass sie die Schrift auf den Unterlagen in Frau Ahrents Händen lesen konnte. „Soviel ich weiß, sind alle Ordner in diesem Büro auf dem neuesten Stand. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass innerhalb von vier Tagen irgendetwas veraltet sein sollte.“ Während sie dies sagte, nahm sie ihrem Gegenüber die losen Papiere ab, um sie aufmerksam durchzusehen. „Na so was“, tat sie am Ende überrascht. „Ich wusste gar nicht, dass auch Ihnen Fehler unterlaufen können. Haben Sie denn nicht gesehen, dass dieses Schreiben von letzter Woche sehr wohl noch gebraucht wird? Immerhin geht es darin um einen wichtigen Auftrag, dessen endgültige Abwicklung noch längst nicht erledigt ist!“ Ihre verwunderte Miene aufgebend, zog sie die Lider zu schmalen Schlitzen zusammen und sah nun genauso verärgert aus, wie sie sich innerlich fühlte. „Oder sollte ich wieder schuld sein, wenn irgendetwas schief gelaufen wäre?“ Da man ihr auch diese Frage nicht beantwortete, maß sie ihr Gegenüber mit einem langen abschätzenden Blick, bevor sie fortfuhr: „Haben Sie keine andere Möglichkeit, ihr Geltungsbedürfnis zu befriedigen, als andere Menschen schlecht zu machen?“
„Was erlauben Sie sich?“, fuhr Frau Ahrent empört auf. „Sie …“
„Ich mag zwar noch jung und vielleicht ein bisschen naiv sein“, unterbrach Celiska laut. „Dennoch bin ich nicht auf den Kopf gefallen, verstehen Sie. Zugegeben: Anfangs wollte ich nicht glauben, dass Sie hinter all den Gerüchten stecken, die über mich im Umlauf sind, denn ich dachte, es wäre unter Ihrem Niveau, auf solch miese Tricks zurückzugreifen, nur um hernach selbst besser da zu stehen. Aber mittlerweile denke ich anders darüber. Und jetzt verlassen Sie bitte diesen Raum, ja! Und noch eins: Sollten Sie noch einmal ohne Erlaubnis dieses Büro betreten, werde ich dafür sorgen, dass man von Ihrer heutigen Aktion erfährt!“
„Das würden Sie nicht wagen“, zischte Frau Ahrent böse. „Schließlich hab ich den großen Boss im Rücken, vergessen Sie das nicht! Sie haben weder Beweise gegen mich in der Hand, noch würden Sie irgendjemanden im Betrieb finden, der Ihnen Glauben schenkt!“ Ein geringschätziges Grinsen auf den Lippen, ging sie hoch erhobenen Hauptes zur Tür und knallte sie dann lautstark hinter sich zu.
„Das ist ja unglaublich.“ Die nur angelehnte Verbindungstür öffnend, kam Nils aus dem Nachbarraum und schaute dabei ziemlich verstört drein.
Celiska hatte insgeheim gehofft, er wäre nebenan, und war nun überglücklich, weil er mit eigenen Ohren gehört hatte, wer hier die wirkliche Übeltäterin war. Dennoch schenkte sie ihm bloß ein zurückhaltendes Lächeln, weil die Erinnerung an ihr letztes Zusammentreffen und die Seelenqual, die sie danach empfunden hatte, noch allzu frisch war.
„Sie ist schon eine geraume Weile hier gewesen“, erklärte Nils schuldbewusst. „Allerdings dachte ich, du wärst es. Nun … Ich wollte dich nicht gleich überfallen, verstehst du. Also habe ich gewartet, bis du von dir aus zu mir kommen würdest. Und dann hab ich eure Stimmen gehört und begriffen, dass da etwas nicht stimmen kann.“ Während er sprach, ging er auf den Schreibtisch zu, nahm dort den Ordner auf und blätterte ihn interessiert durch. „Zum Glück bist du noch rechtzeitig gekommen“, stellte er sichtlich erleichtert fest. „Wenn sie es nämlich geschafft hätte, die Papiere durch den Shredder zu jagen, hätt’s wieder jede Menge Ärger gegeben.“
Ärger?, schoss es Celiska durch den Sinn. Für wen? Doch sicher nicht für ihn! Wenn jemand verantwortlich gemacht worden wäre, dann doch sie!
„Verzeih mir, Liebes“, sagte Nils in ihre Gedanken hinein. „Ich hätte dir wirklich glauben sollen. Aber Frau Ahrent galt für mich bisher als unantastbar. Vater hält so große Stücke auf sie, dass ich wohl seine Meinung zu meiner eigenen gemacht habe.“ Mittlerweile dicht an sie herangetreten, wollte er sie in den Arm nehmen, kam jedoch nicht dazu, denn sie wich ihm
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