Hexenjagd
fragte er mit einem herablassenden Grinsen auf den Lippen. „Armer Vincent. Muss ein schwerer Schlag für dich gewesen sein, als sie dich abblitzen ließ, wo du doch sonst so erfolgreich bist“, tat er mitleidig. Dann, ohne jeden Übergang, war auch sein Gesicht sehr ernst, derweil in seinen Augen ein hinterhältiges Funkeln aufglomm. „Wäre besser, wenn du Celiska in Ruhe lässt“, zischte er böse. „Sie gehört mir, verstehst du? Und du wirst sie mir nicht wegnehmen! Sie hat mir ihr Wort gegeben und wird es auch halten. Ganz egal, was du sagst oder tust, sie wird meine Frau werden!“
Zwecklos, dachte Vincent resigniert. Was auch immer er vorbrachte, Nils würde ihm nicht glauben, einfach weil er es nicht wollte. Auch wenn ihm mittlerweile selbst bewusst sein sollte, dass mit seiner zukünftigen Frau etwas nicht stimmte, würde er die Argumente des Bruders nicht gelten lassen, weil er sie für das Produkt reiner Eifersucht hielt.
„Ich will dir ja gar nicht die Frau wegnehmen“, versuchte er es dennoch. „Ich mache mir einfach nur Sorgen um sie, so wie ich mich um jeden meiner Patienten sorgen würde. Siehst du denn nicht, dass sie praktisch neben sich steht? Bist du wirklich so blind? Oder ist es dir egal, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch steht?“
„Zusammenbruch?“, tat Nils verständnislos. „So, meinst du? Kann es nicht eher sein, dass sie einfach nur übernervös ist, weil wir morgen heiraten?“
Vincent stand auf. Es hatte keinen Sinn, entschied er gereizt. Mit dem Kerl war nicht zu reden. Also würde er selbst ein wachsames Auge auf Celiska haben. Gleichgültig, ob sie die Frau eines anderen Mannes werden würde, er musste dafür sorgen, dass ihr nichts geschah!
Am selben Abend feierte Nils seinen Abschied vom Junggesellendasein. Dass während dieser Feier reichlich Alkohol konsumiert wurde, war für ihn ebenso normal wie für seine Freunde. Später wusste niemand mehr, wer das Thema zuerst angesprochen hatte, doch die Gespräche drehten sich plötzlich nur noch um Frauen und Sex.
„Ist deine Zukünftige auch so heiß?“
Nils war viel zu betrunken, um eine Antwort zu formulieren, so dass er bloß dümmlich grinste.
„Muss ein regelrechter Feger sein“, warf ein anderer seiner Kumpane ein, „wenn du noch nicht einmal von ihr sprichst. Ich kenne dich, mein Lieber! Wenn eine Frau dich so stumm werden lässt, muss sie etwas ganz Besonderes sein!“
Wieder grinste Nils nur, rappelte sich mühsam auf und wankte in Richtung der Toiletten. Ohne zu ahnen, dass seine Freunde in seiner Abwesenheit einen zwar nicht unüblichen, aber doch sehr albernen Streich für den kommenden Tag ausheckten, entleerte er seine Blase und beschloss dabei, dass er nun genug habe und daher nach Hause wolle.
*
Verena befestigte die letzte Strähne der rotbraunen Mähne auf Celiskas Kopf und betrachtete anschließend kritisch ihr Werk. Am Ende nickte sie zufrieden, langte nach dem kleinen Handspiegel und hielt ihn der Freundin hin, damit sich diese überzeugen konnte, dass die Frisur gelungen war.
Celiska indes betrachtete ihr Spiegelbild ohne sichtliche Regung und stand dann langsam und schwerfällig auf, um sich einmal um die eigene Achse zu drehen. Ihre Möbel standen alle noch da, weil Nils’ riesige Eigentumswohnung komplett eingerichtet war, so dass sie beschlossen hatte, ihre Sachen dem Ehepaar Rosenbaum zu überlassen. Allein ihre Kleidung und die restliche Wäsche waren verpackt und bereits weggebracht worden. Im Grunde hätte auch sie längst weg sein sollen, hatte sich jedoch bis zuletzt geweigert, ihre Wohnung ganz offiziell schon vor der Hochzeit aufzugeben. Zudem hatte sie vor der Trauungszeremonie ungestört sein wollen, um sich in vertrauter Umgebung und in aller Ruhe vorbereiten zu können.
Doch nun stand sie inmitten ihres Schlafzimmers und wusste nicht recht, was sie als Nächstes tun sollte. Ihre Erscheinung im großen Spiegel begutachtend, der an einer der Schranktüren befestigt war, meinte sie, eine Schaufensterpuppe zu betrachten, welche man mit äußerster Sorgfalt zurechtgemacht hatte, und fand keine Gemeinsamkeit zwischen der Frau in dem cremefarbenen Kostüm und sich selbst. Christine hatte zu einem extravaganten Brautkleid geraten, erinnerte sie sich. Da Nils aber keine kirchliche Trauung wollte, weil er dieses „Affentheater“ albern und altmodisch fand, war es ihr unpassend erschienen, mit einem langen Kleid aus weißer Spitze zum Standesamt zu gehen. Also hatte sie
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