Hexenjagd
Damit wäre dann auch die Verlobung noch rechtskräftig. Also: Erkläre dich gefälligst!“
Celia legte ihren Kleidersack ab und seufzte ergeben.
„Die Verlobung ist in der Tat noch rechtskräftig“, bestätigte sie leise. „Aber ich werde mein Wort zurückfordern. Ich kann ihn nicht heiraten. Es wäre für uns beide nicht gut.“ Während sie sprach, sah sie, wie die Mutter zum Schlag ausholte, machte jedoch keinerlei Anstalten, der Ohrfeige auszuweichen. Aufrecht stand sie vor der wütenden Frau und bot ihr nun auch die andere Wange. „Bitte, tu dir nur keinen Zwang an. Es wird meinen Entschluss aber nicht ändern. Ich werde überhaupt nicht heiraten. Und damit wir uns gleich richtig verstehen: Ich werde auch nicht hier bleiben. Morgen früh gehe ich wieder.“
„Du … du …“ Mistress Blackbird packte das Mädchen am Arm, um es hinter sich her zerren zu können. Allein weil sie den neugierigen Augen und Ohren des Hauspersonals ausweichen wollte, die auf jede Geste und jedes Wort lauerten, wollte sie in den Salon, weil sie sicher war, dort unbelauscht reden zu können. „Wo willst du hin?“, herrschte sie die Tochter an, sobald die schwere Tür geschlossen war. „Hast du etwa einen Galan, der dich aufnimmt und dir ein angenehmes Leben bietet? Wäre ja kein Wunder“, schimpfte sie, ohne eine Antwort abzuwarten. „Du warst schon immer verdreht! Du hast nie das gemacht, was man von dir verlangt hat. Und jetzt kannst du wahrscheinlich gar nicht anders. Kein ehrbarer Mann würde dich wollen, wo du bestimmt schon deine Ehre verschenkt hast!“
Celia stand mit hängenden Armen und ließ die üblen Beschuldigungen der Mutter einfach über sich ergehen. Eigentlich, dachte sie tief verletzt, hatte sie gehofft, dass man ihr im Elternhaus ein wenig Trost oder Verständnis entgegenbringen würde. Stattdessen verdächtigte man sie, ein loses Frauenzimmer zu sein, welches sich jedem hingab, der ihr über den Weg lief. Hatte Victor etwa deshalb gewagt, sein Angebot auszusprechen? Natürlich, dachte sie niedergeschlagen. Er dachte ja nicht anders als alle anderen auch. Der einzige Unterschied war, dass er sich offenbar nicht scheute, mit einer Dirne unter ein und demselben Dach zu leben, während der Rest seiner Geschlechtsgenossen bloß deren Lust befriedigende Dienste in Anspruch nahm, um sie dann in der Gosse verrecken zu lassen!
Hohe Mauern umgaben das Kloster, über deren Rand der schlanke Turm einer Kapelle zu sehen war. Eine kalte Wintermorgensonne beleuchtete das kleine, aber äußerst massive Tor, das mit reich verzierten Beschlägen versehen war. Am Fuße des meterdicken Schutzwalls wuchs allerlei kahles Gestrüpp, darunter auch einige nützliche Gewächse, deren Blätter und Früchte während der warmen Jahreszeit von den Klosterbewohnerinnen für verschiedene Arzneien oder Tinkturen verwendet wurden. Niemand wäre auf die Idee verfallen, die Nonnen, die sich um solche Dinge in gleicher Weise kümmerten wie Celia, als Zauberinnen zu bezeichnen. Nur weil sie die Robe der Ordensfrauen trugen, galten sie als unantastbar und gottesfürchtig, im Gegensatz zu der jungen Frau, deren Wissen man für Teufelswerk hielt, weil man es entweder nicht würdigen wollte oder nicht konnte. Wo kein Verstand war, konnte man keine Vernunft erwarten.
Celia verhielt für einen Augenblick den Schritt, um den tröstlichen Anblick des für die Ewigkeit gebauten Gemäuers in sich aufzunehmen. Hier würde sie Ruhe finden, dachte sie hoffnungsvoll. Hinter diesen dicken Mauern würde man sie weder als Hexe bezeichnen noch eine Hure in ihr sehen!
Sie setzte sich gerade wieder in Bewegung, da vernahm sie das Donnern herannahender Hufe hinter sich. Als sie sich umdrehte, gewahrte sie einen dunkel gekleideten Reiter, der sein Pferd im wilden Galopp auf sie zutrieb, und begann unwillkürlich rückwärts zu laufen. Man war offenbar zu einer Entscheidung gekommen und wollte sie nun holen, um sie dem Kerkermeister zu übergeben.
Voller Grauen rannte sie auf das eisenbeschlagene Tor zu in der Hoffnung, die Macht der Kirche werde ihren Häscher aufhalten und sie so vor der Folter retten. Als sie das Tor erreichte, wollte sie es aufstoßen, fand es aber verschlossen vor und begann mit den Fäusten dagegen zu trommeln, damit man auf sie aufmerksam werde. Doch so laut sie auch um Einlass bat, es tat sich nichts hinter den schweren Bohlen. Stattdessen wurde das Getöse in ihrem Rücken immer lauter, was ihr den kalten Schweiß auf die Stirn
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