Hexenjagd
brauche dich. Ohne dich bin ich verloren! Bitte, Celia, du musst mit mir kommen. Wenn du dich gegen mich entscheidest, hat mein Leben keinen Sinn mehr.“
Obwohl er sie weiterhin in seinen Armen hielt und so seine Körperwärme auf sie übertrug, fror Celia mit einem Mal erbärmlich. Die Kälte schien allerdings aus ihrem Herzen zu kommen, das plötzlich zu einem riesigen Eiszapfen zu erstarren schien. Was tat er ihr da an, fragte sie sich entsetzt. Er musste doch längst begriffen haben, dass sie ihn nicht wollte! Warum machte er sie für sein Seelenheil verantwortlich? Warum musste er ihr Gewissen mit solch einer Drohung belasten, wo er doch genau wusste, dass sie niemals zugelassen hätte, dass er sich gegen Gott versündigte, indem er sein Leben einfach wegwarf. Nun konnte sie ja gar nicht mehr anders. Sie musste zu ihrem Wort stehen! Auch wenn das für sie hieß, zeitlebens in einem goldenen Käfig leben zu müssen. Und das würde sie gewiss, weil sich die Gattin eines Lords niemals dieselben Freiheiten erlauben konnte wie ein gewöhnlicher Mensch.
„Nicholas, bitte“, brachte sie endlich mit heiserer Stimme hervor. „Lass mir ein wenig Zeit.“ Weil er seine Stirn sogleich unwillig runzelte, schluckte sie schwer, bevor sie fortfuhr: „Ich möchte ein paar Tage hier bleiben. Ich … im Kloster habe ich mehr Ruhe, um mich auf die Hochzeit vorzubereiten. Ich … ich möchte ein paar Tage Buße tun für all die großen und kleinen Sünden, die ich in den letzten Wochen begangen habe.“
Das klang vernünftig, fand er, und nickte zustimmend.
Es war für die Ordensfrauen nichts Ungewöhnliches, dass ein Mädchen aus gutem Hause die Zeit bis zu seiner Hochzeit in einem Kloster verbrachte. Also nahmen sie Celia kommentarlos in ihre Mitte und geleiteten sie zu dem kleinen Gästehaus, welches sich an den lang gezogenen Wohntrakt der Nonnen anschloss. Dort wurde ihr eine winzige kalte Zelle zugewiesen, die nur ein hartes Bett und einen grob gezimmerten Stuhl enthielt. Sodann erteilte man ihr die Anweisung, sich spätestens zum Abendgebet in der Klosterkapelle einzufinden.
Endlich allein, lehnte sich Celia mit dem Gesicht zur Wand an die Mauer und seufzte erleichtert. Ihre Hände berührten die eiskalten Steine und wanderten anschließend beinahe zärtlich darüber hinweg, wobei ihre Finger immer wieder den Weg zu den Zwischenräumen der Felsquader fanden, die in beruhigender Gleichmäßigkeit angeordnet waren. Sie fühlte Tränen an ihren Wangen hinab laufen und kämpfte eine geraume Zeit vergeblich gegen den Aufruhr in ihrem Innern an. Doch dann wischte sie sich das Gesicht trocken und ließ sich auf die Knie nieder, um ein kurzes Dankgebet zu sprechen. Was auch immer nun auf sie zukommen sollte, sie würde es auf sich nehmen, beschloss sie am Ende. Gott hatte ihr diese Bürde aufgetragen, damit sie an ihr wüchse. Also würde sie seinem Willen folgen und nicht weiter nach den eigenen Wünschen forschen.
13
„Was soll denn das heißen?“, fragte Nils ärgerlich. „Du kommst hier ohne jede Vorwarnung reingeplatzt und willst mir erzählen, mit meiner Verlobten stimme etwas nicht? Woher willst du das so genau wissen? Und vor allem: Was geht es dich überhaupt an?“
In Vincent arbeitete es.
„Ich habe Augen im Kopf“, stieß er schließlich ärgerlich hervor. „Außerdem habe ich genug solche Menschen gesehen. Sie zeigt eindeutig Symptome einer psychischen Überlastung.“
„Du hast zu lange in der Psychiatrie gearbeitet, mein Lieber“, winkte Nils ab, „und siehst jetzt bei allen Menschen irgendwelche Störungen! Ich glaube wirklich, du hast selbst Probleme.“ Nils lehnte sich entspannt in seinem Schreibtischstuhl zurück, während sein Blick die beherrschte Miene des Bruders taxierte. „Oder sollte ich mich irren?“, fragte er lauernd. „Vielleicht hast du gar keine Schwierigkeiten mit deinem Verstand? Möglicherweise ist es mehr eine körperliche Sache. Vielleicht das Herz? Oder rumort es tiefer?“ Seine Augen wanderten an Vincents hoch gewachsener Statur hinab, um dann zu dessen mittlerweile zorngeröteten Gesicht zurückzukehren. „Wie ich erfahren habe, besuchst du deine Verwandten auffallend oft. Ist da etwa noch etwas anderes? Vielleicht etwas, das ich wissen sollte?“, fragte er
Vincents Gesicht war anzusehen, dass er nun auch ein wenig betroffen war.
„Aha!“, stieß Nils daraufhin voller Schadenfreude hervor. „Du hast es also tatsächlich bei ihr versucht, nicht wahr?“,
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