Hexenkessel
Assistentin eines Blickes zu würdigen. »Der Premierminister lechzt nach Informationen.«
»Lassen Sie ihn nur zappeln, bis ich handfeste Ergebnisse vorweisen kann - was im Moment noch nicht der Fall ist. Monica erstellt gerade ein Persönlichkeitsprofil von VB.«
»Dauert verdammt lange, finde ich.«
»Da irren Sie sich. Monica ist bis heute morgen um drei aufgeblieben und hat sich mit Kontaktmännern in den Staaten in Verbindung gesetzt.«
»Wir müssen diese Angelegenheit ein bißchen intensiver in Angriff nehmen …«
»Das geschieht bereits.« Tweed hob abwehrend die Hände. »Nein, fragen Sie mich nicht nach Details. Sie bekommen einen vollständigen Bericht.«
Howard fuhr mit einem Finger über sein rundes, rosiges, glattrasiertes Gesicht. Er überprüft die Rasur, stellte Tweed fest. Ob er wohl wieder damit begonnen hat, mit anderen Frauen auszugehen? Eigentlich bezweifelte er das - schließlich war Howard von seiner Frau Cynthia dazu gezwungen worden, seine Wohnung in London aufzugeben und sich jeden Abend in dem gemeinsamen Haus in Atwood einzufinden.
»Vermutlich muß ich mich fürs erste mit dem wenigen zufriedengeben, was Sie bis jetzt herausgefunden haben«, bemerkte Howard. »Aber denken Sie daran: Jeder ist zu ersetzen.«
»Ich hoffe, Sie beziehen sich selbst in diese Beobachtung mit ein«, gab Tweed bissig zurück.
»Nur ein kleiner Witz am Rande, alter Freund«, beschwichtigte Howard ihn, erhob sich und schickte sich an, den Raum zu verlassen. »Machen Sie nur weiter so, Monica«, fuhr er fort, als er die Tür öffnete. »Es tut Ihnen offenbar gut, bis spät in die Nacht zu arbeiten.«
Monica hob die Brauen, schwieg aber, bis Howard außer Hörweite war. Dann sprang sie auf und machte ihrer Empörung Luft: »Kleiner Witz, daß ich nicht lache! Sie könnten morgen schon auf seinem Stuhl sitzen! Ich weiß, daß der Premierminister große Stücke auf Sie hält und Sie sehr bewundert. Kann ich noch ein Fenster öffnen? Ich kann sein After-shave nicht ertragen.«
»Selbstverständlich. Aber ich möchte seinen Job gar nicht haben, und er ist ganz brauchbar, wenn es darum geht, mit einem Glas in der Hand auf einem Diplomatenempfang in der russischen oder sonst einer Botschaft herumzustehen. Nun erzählen Sie mir aber bitte, was Sie herausbekommen haben.«
»VB gilt als der große Unbekannte. Ich hatte ziemliche Mühe, seinen Lebenslauf nachzuvollziehen. Er haßt Publicity. Fangen wir einfach mit seiner rechten Hand an, das ist ein ungehobelter Klotz namens Joel Brand - hier ein Foto von ihm. Es wird gemunkelt, er habe bei der Navy gedient, aber als ich bei der Admiralität nachfragte, hatte man dort noch nie von ihm gehört. Außerdem ist Brand nicht sein richtiger Name. Er stammt aus Armenien und heißt eigentlich Varouj Kerkorian. Spielt gern den harten Mann. Aber er hat Grips, wie so viele seiner Landsleute. Hat die Harvard School of Business besucht und seinen MBA gemacht, obwohl man sich heutzutage für einen akademischen Titel auch nichts mehr kaufen kann. Danach kehrte er nach England zurück, wo er damit begann, Schmuggelware über die Nordsee zu schaffen.«
»Haken wir hier einmal ein. Ist er jemals verurteilt worden?«
»Nein, dazu war er zu gerissen. Aber die Zollbehörde ist überzeugt, daß er einen großen Schmugglerring geleitet hat. Der Mann wechselt seine Freundinnen wie seine Hemden und läßt jede fallen, sobald er erreicht hat, was er wollte. Einmal hat er auf der Hamburger Reeperbahn beinahe einen Mann getötet.«
»Klingt alles sehr unsympathisch. Brand ist also ein Schürzenjäger und ein Schläger.«
»Eine sehr treffende Beschreibung. Aber auch in dieser Angelegenheit ist er ungeschoren davongekommen. Die deutsche Polizei konnte ihm noch nicht einmal versuchten Mord zur Last legen, weil alle Zeugen eingeschüchtert wurden und sich daraufhin weigerten, gegen ihn auszusagen. Er muß ungefähr achtunddreißig Jahre alt sein, aber bei einem Armenier läßt sich das Alter nur schwer bestimmen.«
»Warum stellt jemand wie Moloch einen solchen Mann ein? Nach außen hin wirkt VB doch sehr kultiviert und gebildet.«
»Laut Aussagen der Leute, die ihn gekannt haben, ist Mr. Brand ein Typ wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Ich habe die Hyde-Seite seiner Persönlichkeit beschrieben. Er kann aber auch sehr charmant und unterhaltsam sein - besonders im Umgang mit Frauen, aber auch in der Gesellschaft von Männern, wenn er nur will. Er hat an Molochs Stelle an Empfängen in Europa
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