Hexenkessel
und erklärte den anderen, was vorgefallen war.
»Das wird uns viel Zeit kosten«, meinte Alvarez.
»Wir kommen schon noch ans Ziel«, beruhigte ihn Tweed.
Er schien von ihnen allen der weitaus Gelassenste zu sein. Schon vor langer Zeit hatte er gelernt, die Dinge hinzunehmen, die er nicht ändern konnte. Newman ging zu Vanity, die mit Marler neben ihrem Wagen stand, und gab ihr einen kurzen Lagebericht.
»Wenn wir Pech haben, hängen wir stundenlang hier fest«, meinte diese. »Wie gut, daß ich auf derartige Unannehmlichkeiten vorbereitet bin; ich rechne nämlich immer damit, mitten im Niemandsland mit einer Panne liegenzubleiben. Im Kofferraum steht eine Kühlbox mit einem kleinen Imbiß, Wein und einer Thermosflasche Kaffee. Sagen Sie, Bob, wie trinkt Tweed seinen Kaffee am liebsten?«
»Schwarz und stark«, erwiderte Newman automatisch. »Glauben Sie, daß wir uns auf eine längere Wartezeit einrichten müssen?«
»Jedenfalls lange genug, um meine Kühltasche leerzufuttern. Bei solchen Unfällen kann die Bergung eine Weile dauern …«
In seinem Büro in Black Ridge schuftete Moloch wie ein Besessener. Er schob Dokumente in den Reißwolf, die nicht für fremde Augen bestimmt waren.
Jedes einzelne Blatt mußte er sorgfältig prüfen, um sicherzugehen, daß es auch wirklich bedenkenlos vernichtet werden konnte. Es war eine langweilige, zeitraubende Arbeit, aber eine, die nur er selbst erledigen konnte - der Inhalt einiger Akten war hoch brisant. Wie üblich betrat Joel Brand den Raum, ohne vorher anzuklopfen. Hastig legte Moloch einen blanken Bogen Papier über den Aktenstapel, den er gerade abtrug.
»Was gibt es? Ich bin beschäftigt.«
»Vanity ist noch nicht aufgetaucht. Ich dachte, Sie hätten ihr gesagt, sie solle so schnell wie möglich hier erscheinen.«
»Habe ich auch. Hoffentlich hatte sie keinen Unfall.«
»Möglich wäre es.« Brand lächelte boshaft. »Auf dem Highway Richtung Carmel ist es nämlich zu einer Massenkarambolage gekommen.«
»Ich versuche, sie über ihr Handy zu erreichen. Hast du eigentlich nichts zu tun? Ich bezahle dich schließlich nicht für tatenloses Herumstehen.«
Er zog eine Schublade auf, entnahm ihr sein eigenes Mobiltelefon und drückte ein paar Knöpfe. Ihm schien, als würde er in der modernen Welt, in der er lebte, nichts anderes tun, als ständig irgendwelche Knöpfe zu drücken. Der Anruf kam durch, doch dauerte es einen Moment, bis Vanity sich meldete.
»Entschuldigen Sie, daß ich nicht so schnell an den Apparat gekommen bin - und die Verspätung, für die ich allerdings nicht verantwortlich bin, tut mir leid.« Jedes Wort war klar und deutlich zu verstehen. »Auf dem Highway hat es einen schweren Unfall gegeben. Es kann Stunden dauern, bis die Straße wieder geräumt ist. Ich komme, so schnell ich kann, mir ist ja glücklicherweise nichts passiert.«
»Das ist die Hauptsache. Ich füttere gerade den Reißwolf. Lassen Sie sich ruhig Zeit …«
Vanity gab Newman das Telefon zurück. Er hatte es ihr gereicht, sowie er gehört hatte, wer am Apparat war. In der anderen Hand hielt sie ein Sandwich.
»Hier, Sie brauchen das Telefon anscheinend dringender als ich. Im Moment ist ohnehin Hopfen und Malz verloren.«
Sie bezog sich auf die unleugbare Tatsache, daß die sprichwörtliche Tüchtigkeit amerikanischer Mechaniker heute nicht einmal ansatzweise zu erkennen war. Der riesige Abschleppwagen, der eingesetzt werden sollte, um die ineinander verkeilten Autos, die den Highway blockierten, zu entfernen, war seinerseits auf einige Fahrzeuge aufgefahren. Das bedeutete, daß erst weitere Hilfskräfte angefordert werden mußten, die den Abschleppwagen von der Straße schaffen sollten, ehe man darangehen konnte, die in die Karambolage verwickelten Fahrzeuge abzutransportieren. Aus der Gegenrichtung waren bereits Krankenwagen eingetroffen, die die Verletzten und einige Tote in die umliegenden Krankenhäuser brachten.
»Das kann ja noch bis zum Jüngsten Tag dauern«, konstatierte Paula gereizt.
Ihre Geduld wurde auf eine weitere Zerreißprobe gestellt, als sie bemerkte, daß Tweed tief und fest eingeschlafen war. Sie hatten Vanitys Kühltasche längst geleert und den ganzen Kaffee ausgetrunken, als sich die Autoschlange langsam wieder in Bewegung setzte. Inzwischen war es später Nachmittag.
Nach und nach löste sich der Stau auf. Viele Autofahrer machten ihrem Unmut über die unfreiwillige Rast auf dem Highway dadurch Luft, daß sie rücksichtslos die
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