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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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dass seine Nase ein wenig gebogen und gar nicht so gerade und ebenmäßig war, wie sie immer gedacht hatte.
    Der Himmel bewölkte sich. Antonio schob seine Sonnenbrille hoch, sodass sie über dem Haaransatz saß und ihn jünger wirken ließ. Elsa sah Mitleid in seinem Blick und fand seine Augen blank und stechend.
    Aus einem Impuls heraus drehte sie sich um und rannte davon.
     
    Sie rannte blind durch die Stadt, achtete nicht auf Kinderwagen, die im Weg standen, warf eine Vespa um, rempelte eine alte Dame an, die dadurch beinah das Gleichgewicht verlor, schubste ein kleines Mädchen, das ihr vor die Füße lief, beschimpfte einen Bäcker mit »Arschloch«, der gerade in dem Moment seine Wagentür öffnete, als sie vorbeirannte, ignorierte jede Ampel und erreichte schließlich – völlig außer Atem – ihr Auto.
    Sie sprang hinein und brauste nach Hause. Ähnlich rücksichtslos wie zuvor zu Fuß.

    Vor dem Haus bremste sie, dass der Kies nach allen Seiten spritzte. Sarah ahnte schon, was passiert war, und öffnete die Haustür.
    »Topolino, Mäuschen!«, rief sie. »Was ist denn los?«
    Elsa stieg langsam aus und stand neben dem Wagen wie ein Gespenst, das vom Morgengrauen überrascht wurde. Sie ließ die Arme hängen, war leichenblass und hatte noch nicht mal mehr die Kraft, die Wagentür zu schließen.
    »Ist was passiert?«, fragte Sarah. »Du bist ja so früh zurück? Wolltest du dich nicht mit Antonio treffen?«
    Elsa nickte. Dann ging sie zu Sarah, fiel ihr um den Hals und fing endlich an zu weinen.

51
    In den kommenden Tagen war Elsa ausgesprochen freundlich zu Edi. Sie streichelte ihn viel, las ihm Tiergeschichten vor, die er am liebsten hatte, wenn sie von Kaninchen handelten. Elsa hatte kein Problem damit, Geschichten beim Lesen spontan zu verändern. So wurde eine Geschichte von einem kleinen Hund zu einer Geschichte von einem Hasenkind, ein Biber wurde zum Kaninchenvater, ein Krokodil zu einem Kaninchen, das sich am liebsten im Wasser aufhielt und sich einbildete, ein Krokodil zu sein.
    Aber auch Sarah gab sich große Mühe mit ihrer Tochter. Sie kochte deren Lieblingsgerichte, obwohl Elsa kaum etwas aß, animierte sie zu langen Spaziergängen und tat alles, dass ihre Tochter sie als Freundin ansah und nicht als Mutter. Sie hörte aufmerksam zu, wenn Elsa etwas sagte, und nahm sie schweigend in den Arm, wenn Elsa immer und immer wieder in Tränen ausbrach und ihr schier endlos währender Kummer einfach nicht weniger werden wollte.
    »Vergiss diesen Antonio«, sagte Sarah so vorsichtig wie möglich. »Es gibt noch mehr Männer auf der Welt. Bessere, liebenswertere, schönere …«
    »Du hast ja keine Ahnung«, stöhnte Elsa. »Du kannst dir
ja nicht vorstellen, wie er ist. Es gibt niemanden, der so ist wie er.«
    »Nein. So nicht, das stimmt. Aber anders. Es gibt für alles auf der Welt eine Variante.«
    »Und Papa?«, fragte Elsa spöttisch. »War er für dich nicht der Beste?«
    Sarah lächelte. »Nein, der Beste sicher nicht, weil ich die anderen Möglichkeiten nicht kannte. Aber der Richtige. Das spürt man im ersten Moment. Und das wirst du auch noch erleben.«
    »Du begreifst gar nichts!« Elsa war wütend. »Ich hab das längst erlebt. Für mich war er von der ersten Sekunde an der Richtige!«
     
    Romano hatte großes Mitleid mit Elsa, aber er hielt sich aus den Liebeskummerdiskussionen weitgehend heraus. Nur die Frage des Studienplatzes und der Wohnung wollte er geklärt wissen.
    »Du kannst es dir überlegen«, meinte er. »Einen Studienplatz findest du bei deinen hervorragenden Noten auch in Rom, Florenz, Bologna oder Mailand, wo immer du willst. Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst, und vielleicht möchtest du die Möglichkeit, ihm auf der Straße, auf dem Markt oder der Piazza zu begegnen, lieber ausschließen?«
    »Nein«, sagte Elsa.
    »Es macht dir also nichts aus, in seiner Nähe zu sein? Ich meine, noch haben wir keine Wohnung gemietet …«
    »Nein, es macht mir nichts aus.«
    »Aber, Elsa …«, begann Sarah zögerlich.
    »Nein. Vielleicht finde ich es aufregend, in einer Stadt zu
leben, in der er auch lebt. Vielleicht finde ich es toll, in Bars zu gehen, wo er gewesen sein kann. Der Gedanke ist faszinierend, ihm vielleicht irgendwann auf der Piazza oder sonstwo wieder gegenüberzustehen … Vielleicht hat er seinen Entschluss ja längst bereut, wir sehen uns an und gehen zu ihm. Und alles ist wieder, wie es mal war. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Vielleicht ist das ja

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