Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
Vom Netzwerk:
bedrohlich schepperte, und brach in Tränen aus. Er sackte in sich zusammen, saß auf dem Fußboden und jaulte. Tränenströme flossen ihm aus den Augen und benetzten sein haarloses, breiiges Gesicht mit einem nassen Film, der in der Abendsonne glänzte.
    »Okay, Edi«, sagte Elsa, die gerade zur Küche hereinkam und das Drama mitgehört hatte. »Meinetwegen komm mit. Du darfst auf mein Fest. Und wenn du willst, kannst du auch tanzen.«
    »Du weißt, was das bedeutet?«, fragte Sarah leise.
    »Ja. Aber es ist mir egal.«
    »Dumme Mama«, sagte Edi, hörte augenblicklich auf zu heulen und zog ekelhaft laut den Schnodder in der Nase hoch.
    Sarah verließ achselzuckend den Raum.
     
    Wie Sarah erwartet hatte, waren all die Menschen in engen Räumen, der hohe Geräuschpegel von Stimmen und Musik und die rauchgeschwängerte schlechte Luft zu viel für Edi.
    Völlig verstört kauerte er in einer Ecke und kreischte laut, wenn ihn jemand ansprach. Ab und zu schlich er wie ein geprügelter Hund durch die Wohnung, sammelte alle
Salzstangen ein, die er finden konnte, und verschlang sie gierig. Zum Glück hatte Elsa ihn überzeugen können, dass es besser sei, das Kaninchen schlafen zu lassen und spät abends nicht auf ein Fest mitzunehmen, das nur für Menschen gedacht war, und so zerdrückte Edi unter seinem Pullover nur den Plüschhasen Tom.
    Romano war an diesem Abend ungewöhnlich still und hielt sich bewusst im Hintergrund. Die fremden Menschen, die mit Gläsern in der Hand herumstanden, Höflichkeiten austauschten oder Anekdoten erzählten, verursachten bei ihm ein unerträgliches Gefühl von Einsamkeit.
    Als sich Elsa zwischen den Herumstehenden hindurchschlängelte, hielt er sie auf, nahm sie in den Arm und legte einen Moment seinen Kopf auf ihre Schulter.
    Elsa strich ihm über den Hinterkopf. »Papa, was ist denn los?«
    »Ich weiß nicht.« Er musste schlucken, um nicht die Fassung zu verlieren. »Ich wünsch dir Glück, das ist alles.«
    Elsa sah ihn an. Dann lächelte sie, drückte ihn fest an sich, küsste ihn und war wieder zwischen ihren Gästen verschwunden.
    Sarah stand am Buffet, schenkte wildfremden Ragazzi und entfernten Bekannten der beiden Mädchen ihr bezauberndstes Lächeln, während sie Risotto, Pasta und Insalata mista auf die Teller häufte.
    Der Einzige, der den Irrsinn und die Ausweglosigkeit dieses Abends zu begreifen schien, war Edi, der vor Angst schrie und fraß, sich in Ecken versteckte und sein Stofftier an sich drückte.
    Romano ging zu ihm, zog ihn aus einer Nische und umarmte ihn. »Komm«, sagte er. »Lass uns gehen. Wir haben
hier nichts mehr verloren. Zu Hause wartet dein Kaninchen auf dich.«
    Er nahm ihn an die Hand und verließ mit ihm die Wohnung.
     
    Sarah hatte das Gefühl, dass es fast eine Befreiung für die anwesenden Gäste war, als das kreischende, sabbernde und alles in sich hineinfressende Angstbündel Mensch endlich verschwunden war. Die Atmosphäre schien sich zu entspannen, die Gespräche wurden ruhiger, und auch Elsa schien den Abend allmählich zu genießen.
    »Was trinken Sie gern?«, fragte Sauro, ein junger Assistenzarzt und guter Bekannter von Anna. »Wein, Prosecco oder Champagner?«
    »Alles«, meinte Sarah und lachte, »aber nicht mehr um diese Zeit, wenn ich schon viel zu viel Wein getrunken habe und mich nur noch auf mein Bett freue.«
    »Auch keine schlechte Idee.« Sauro zwinkerte unbeholfen mit dem rechten Auge, was albern aussah. Wahrscheinlich hatte er es zum ersten Mal in seinem Leben probiert.
    Sarah seufzte nur und antwortete nicht. Sie stand an der Spüle, wusch Gläser und hoffte inständig, die letzten Gäste würden endlich gehen. In Elsas Zimmer saßen noch ein paar Unentwegte, tranken mittlerweile vollkommen unkontrolliert und diskutierten darüber, ob der Palio Touristenattraktion oder Tierquälerei sei und abgeschafft werden solle oder nicht. Sarah war es leid, den lallenden Sätzen von betrunkenen jungen Menschen zuzuhören, die sich mit jedem Glas wichtiger vorkamen und ihre Argumentation immer genialer fanden, ohne zu merken, dass sie sich wiederholten und nur noch dummes, zusammenhangloses Zeug erzählten.

    Elsa war noch einigermaßen nüchtern, und Sarah hoffte, dass sie endlich den richtigen Moment und die richtigen Worte finden würde, um die letzten Gäste rauszuschmeißen.
    »Ich würde Sie gern noch zu einem letzten Glas in eine kleine Bar entführen …« Sauro gab nicht auf, und Sarah lachte spöttisch.
    »Kennen Sie eine Bar in

Weitere Kostenlose Bücher