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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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aber sie lief leichtfüßig neben ihm her, fragte nur einige Male, wie weit es noch sei.
Sarah hatte im Gegensatz zu ihrer Tochter überhaupt keinen Blick für die Päpste an der Wand, sie bemerkte sie nicht einmal, sie sah nicht den Stuck an den Decken, den Lüster aus Muranoglas, die Antiquitäten, die silbernen Kerzenhalter, sie sah nur ihn, während er die Flasche mit dem schweren Rotwein öffnete, prägte sich seine Bewegungen ein, als wolle sie sie auswendig lernen, um sie für immer parat zu haben. Sie träumte mit offenen Augen, während sie sich auszog, das Weinglas in Empfang nahm und ihm schweigend zuprostete.
    Dann drückte sie ihm den lachsfarbenen Schal in die Hand, den sie kurz zuvor, ganz in der Nähe seines Schreibwarenladens, gekauft hatte.
    Er verstand sofort.
    Als er sie an die Pfosten seines Messingbettes fesselte, war er dieser Frau bereits vollkommen verfallen und hatte Elisabetta, die von ihm träumte und sich ein völlig falsches Bild von ihm machte, völlig vergessen.
    Ich wusste es, dachte er, als er ihr die Augen verband, ich wusste es in dem Augenblick, als sie mein Geschäft betrat.

50
    »Mi dispiace«, sagte Antonio, »aber es hat sich etwas verändert.«
    Elsa zuckte zusammen. Das war das, was sie die ganze Zeit befürchtet hatte. Tagelang hatte sie gehofft und gebetet und in der Kirche von Castelfranco drei Kerzen gespendet.
    Zwei Wochen lang hatte er sie vertröstet, hatte von einem Freund erzählt, den er im Krankenhaus besuchen müsse, von seiner Mutter, die aus Mailand angereist und zu Besuch sei, von einer Steuerprüfung im Geschäft, die ihm über den Kopf wachse … Sie hatte ihm alles und nichts geglaubt. Doch ihr Unbehagen wuchs von Tag zu Tag.
    Heute Vormittag hatte er sie kurz angerufen und gebeten zu kommen. So wie immer. Dienstags um fünf in seine Wohnung. Ihr Herz überschlug sich fast vor Freude, aber die Angst nagte unverändert in ihr, wie ein Wurm, der sich unaufhaltsam durch alle Organe frisst.
    Sie badete, wusch sich die Haare, cremte sich sorgfältig ein, parfümierte und schminkte sich und fuhr viel früher los als nötig, um nur ja nicht in einem Stau stecken zu bleiben und zu spät zu kommen.
    Am Dom setzte sie sich in eine kleine Bar und aß ein Eis, blätterte gelangweilt in einer Tageszeitung und versuchte,
die schwarzen Querstreifen im Turm des Doms zu zählen, bis es endlich Zeit war zu gehen.
    Auf die Minute pünktlich kam sie vor seinem Haus an. Er stand vor der Tür und erwartete sie. Es gelang ihr nicht, ihre Enttäuschung zu verbergen. Der Abend im Bett rückte in weite Ferne.
    »Ich dachte, wir machen einen kleinen Spaziergang«, sagte er und hauchte ihr zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. »Ich habe mich heute mit der Buchhaltung beschäftigt und so viel gesessen, ich brauche etwas Bewegung.«
    Va bene. Ein bisschen Bewegung. Vielleicht irgendwo ein Espresso. Und dann zu ihm. Vielleicht wurde ja doch noch alles gut.
    Er legte sanft den Arm um ihre Schulter, als sie losgingen, so leicht, dass sie ihn kaum spürte. Durch die dunkle Sonnenbrille konnte sie seine Augen nicht sehen.
    Und bereits zwanzig Meter weiter sagte er diesen Satz. »Es hat sich etwas verändert.«
    »Was?«, fragte sie mutlos und starrte auf die Gesichter der Passanten, die an ihr vorbeiliefen, als wäre nichts gewesen, als hätte es diesen Satz nicht gegeben.
    Antonio versenkte die Hände in den Taschen seines hellen Leinenjacketts und konzentrierte sich beim Gehen scheinbar auf seine Schuhe.
    »Ich habe eine Bekanntschaft gemacht, Cara. Ich habe jemanden kennengelernt.«
    Im ersten Moment tat es gar nicht weh. Vielleicht, weil sie es schon erwartet hatte oder weil sie noch unter Schock stand. Der Tischler, der sich die Hand absägt, spürt in den ersten Minuten auch keinen Schmerz. Ihr war beinah zum Lachen zumute. Es gab wahrlich Schlimmeres auf der Welt.
    »Das stört mich nicht«, sagte sie lächelnd. »Wenn ich dich nur ab und zu sehen kann. Und wenn es nur einmal in der Woche ist, das halte ich schon aus.«
    »Das geht nicht, Elisabetta. Die Frau, der ich begegnet bin, lässt mir keinen Raum. Nicht, dass sie etwas von mir verlangt, nein, es liegt an mir. Es hat auch gar nichts mit dir zu tun. Es hat einfach nur damit zu tun, dass ich an nichts anderes mehr denken kann, als an sie, und dass ich meine Zeit nicht mehr anders verbringen will, als mit ihr.«
    Elsa sah ihn an. Ihr Kopf war wie leer gefegt, sie wusste nicht, was sie dazu sagen konnte. Aber ihr fiel auf,

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