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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Taschenlampe wichtig sind.«
    »Ja, ja, ja – tirallala«, sang Edi.
    »Du weißt, wo Mamas Haus ist. Du warst oft da, stimmt’s?«
    Edi nickte erneut.
    »Aber findest du den Weg auch in der Nacht?«
    Edi klatschte in die Hände. »In der Nacht – wird’s gemacht.«
    »Edi braucht keine Angst haben. Selbst wenn das Käuzchen
schreit, erschreckt sich Edi nicht. Edi ist mutig und tapfer. Der liebe Gott gibt dem Käuzchen immer ein Zeichen, wenn jemand sterben soll. Dann schreit das Käuzchen, und das ist gut so. Hast du das verstanden?«
    Edi nickte. »Alles klar – wunderbar.«
    »Niemand ist im Wald, wenn Edi zum Haus läuft. Niemand. Niemand kann Edi etwas Böses tun. Niemand kann mit Edi schimpfen, weil Edi ganz allein im Wald ist. Edi ist sicher. Es passiert nur das, was Edi will. Edi braucht also keine Angst zu haben. Verstehst du das?«
    Edi nickte. »Wenn Edi will – alles still.«
    »Du warst doch schon mal in der Nacht im Wald, oder?«
    Edi nickte.
    »Hast du dabei Angst gehabt?«
    Edi nickte und riss seine Augen ganz weit auf, als sähe er in diesem Moment ein Gespenst.
    »Aber in dieser Nacht ist Edi allein im Wald. Edi bestimmt, was geschieht, nur Edi. Wenn Edi ein Kaninchen streichelt, dann streichelt Edi ein Kaninchen. Wenn Edi einen Zweig zerbricht, dann geht der Zweig kaputt, weil Edi das will. Und wenn Edi einen kleinen Vogel findet, der aus dem Nest gefallen ist, und wenn Edi ihm den Hals umdreht oder den Kopf abbeißt, dann ist der Vogel tot und kommt ins Vogelparadies, weil Edi das will. Was Edi will, geschieht. Edi hat die Macht im Wald. Über die Pflanzen und die Tiere. Für ein paar Stunden ist Edi der liebe Gott, und niemand wird hinterher mit Edi schimpfen. Der Wald gehört Edi, Edi kann tun, was er will, Edi ist frei, niemand kann Edi sehen, und nur Edi ist wichtig. Ist das nicht wunderbar?«
    Edi nickte und strahlte übers ganze Gesicht. »Edi tut – alles gut.«

    »Wenn Edi Mamas Haus erreicht hat, werden alle Fenster dunkel sein. Was macht Edi, wenn Licht im Haus ist?«
    Edi überlegte einen Moment. »Licht sehen – umdrehen.«
    Elsa jubilierte innerlich. »Völlig richtig, tesoro.« Zur Belohnung stopfte sie ihm einen Bonbon in den Mund und fuhrt fort: »Wenn Fenster hell – nach Hause schnell! Verstehst du das, Edilein? Das Licht ist Edis Feind. Wenn Lichter brennen – muss Edi rennen. Dann erlischt Edis Macht.«
    Edi nickte. »Schwarze Nacht – gut gemacht.«
    »Aber es wird alles dunkel sein. Jetzt erst schaltet Edi seine Taschenlampe an und dann schleicht sich Edi ins Haus. Auf welche Weise?«
    »Immer leise«, antwortete Edi prompt.
    »Genau. Edi schleicht so leise, wie er kann. Mama lässt die Tür immer offen, weil sie keine Angst hat.«
    »Und Edi allein – alles fein«, unterbrach Edi stolz.
    Elsa kraulte ihm zustimmend die Glatze. »Genau. Du hast es verstanden, Edi. Edi fürchtet sich nicht, weil Edi der Einzige im Wald ist. Der Wald gehört Edi, und alles, was geschieht, ist gut. Alles, was geschieht, ist von Edi gewollt, und das ist in Ordnung, weil Edi ein guter Junge ist.«
    Edi lachte laut auf und klatschte in die Hände. »Edi Mut – alles gut.«
    »Und was macht Edi, wenn die Tür abgeschlossen ist?«
    Edi kratzte sich am Kinn. »Schlüssel in der Schüssel!«, brüllte er begeistert, als ihm der Satz eingefallen war.
    »Wunderbar! Du weißt ja alles! Edi guckt also unter den großen Terrakottatopf mit der Hortensie, die Edi im Sommer so liebt, weil sie so groß und rund und rosa ist und wochenlang blüht. Unter diesem Topf ist der Schlüssel. Weißt du, welchen Topf ich meine?«

    Edi nickte und wiederholte: »Schlüssel in der Schüssel.«
    »Gut. Jetzt geht Edi ins Haus. Edi hat das Messer in der Hand. Edi braucht kein Licht. Edi geht einfach geradeaus und leise die schmale Treppe hinauf bis ins Wohnzimmer. Der Mond scheint durch die Fenster, Edi kann gut sehen, und dann geht Edi ins Schlafzimmer. Langsam und leise.
    Edi lachte laut. »Edi leise – auf die Reise.«
    Elsa nickte sanft. »Völlig richtig, Edilein. Es ist nicht gut, wenn Mama aufwacht. Es ist schön, im Schlaf zu sterben. Das hat sie sich immer gewünscht. Wenn Edi vor ihr steht, schneidet Edi ihr mit dem Messer den Hals durch. Ganz doll. Mit Schwung und so kräftig wie Edi kann, hörst du?«
    Edi machte eine Geste, als schnitte er sich selbst die Kehle durch. »Mit dem Messer – geht es besser.«
    »Mama wird keine Angst und keine Schmerzen haben, sie wird im Schlaf aus ihren Träumen

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