Hexenkind
ich für einen schlauen großen Bruder!« Sie küsste ihn auf die Wange, stopfte ihm erneut einen Karamellbonbon in den Mund und begann, seinen Bauch zu kraulen, den Edi ihr genüsslich entgegenstreckte.
»Du hast ja schon fast alles begriffen! Ich kann dir ja kaum noch was beibringen, Edi! Das ist ja phantastisch!«
»Weiter!«, krähte Edi.
»Erzähl mir vom Kaninchenparadies.«
»Immer Sonne. Immer Bonbons.«
»Essen Kaninchen Bonbons?«
Edi überlegte einen Moment. Dann sagte er: »Immer Karotten. Und Salat. Und ganz viele Kaninchen. Und spielen. Und immer gesund – kugelrund.«
»Toll, Edi. Ganz toll. Was meinst du? Wollen wir beide jetzt auch noch was spielen? Worauf hast du denn Lust?«
Als Elsa am Abend zurück nach Siena fuhr, war sie regelrecht euphorisch. Edi würde es schaffen. Sie wollte sich viel Zeit lassen. Den ganzen Frühling und den ganzen Sommer, um sich ganz sicher zu sein.
Elsa war glücklich. Die Aufgabe die vor ihr lag, gab ihrem Leben wieder einen Sinn. Und sie freute sich sogar auf den Frühling.
71
Den ganzen Februar über redeten sie fast nur über das Kaninchenparadies, und Edi bekam eine immer genauere Vorstellung davon.
Anfang März stellte Elsa dann die entscheidende Frage, die sie lange hinausgeschoben hatte.
»Hast du dein Kaninchen lieb?«
Edi nickte so sehr er konnte.
»Willst du, dass dein Kaninchen ins Kaninchenparadies kommt und glücklich ist?«
Edi nickte noch heftiger.
»Was musst du dann tun?«
»Wenn Edi will – ist es still«, antwortete Edi ganz ernsthaft. Elsa streichelte ihm die Glatze und schob ihm einen Karamellbonbon in den Mund.
Elsa munterte ihn auf. »Hat Edi den Mut – dann ist es gut.«
Edi nahm das Kaninchen, küsste es auf die Nase, fasste den Hals mit seinen dicken Pranken und drehte ihn mit einem Ruck um, sodass man die Wirbel krachen hörte.
»Tutti paletti«, sagte er und lachte.
»Gut gemacht, Edi!«, lobte Elsa. »Jetzt gehen wir dein Kaninchen begraben, damit es nicht so lange aufs Paradies warten muss.«
Innerlich jubilierte Elsa. Sie hatte nicht gedacht, dass es so einfach sein würde.
Damit das Ermorden des Kaninchens keine Eintagsfliege blieb, schaffte Elsa immer neue Kaninchen heran. Am Anfang kannte Edi die Tiere noch nicht so gut. Er spielte mit ihnen, machte sie zutraulich, fütterte sie und schleppte sie in seinem Pullover durch die Gegend. Wenn sie ihm vollkommen vertraut waren und er sie lieb gewonnen hatte, drehte er ihnen den Hals um.
Ende April beschloss Elsa, nun die eigentliche Aufgabe für Edi in Angriff zu nehmen, und redete den gesamten Mai über nur vom Menschenparadies.
Dann kam der schwierigste Teil: Die Planung der Tat. Elsa hatte drei bis vier Monate dafür eingeplant und kam nur zu diesem Zweck zweimal in der Woche nach Montefiera.
Anfang September hatte sie den Eindruck, dass sich Edi schon viel von dem Ablaufplan gemerkt hatte. Aber noch war sie nicht zufrieden, war noch nicht sicher genug und machte weiter. Mit stoischer Ruhe und Engelsgeduld, ihr Ziel immer fest vor Augen.
»Wir warten bis es Herbst ist«, sagte Elsa.
»Und im Herbst – da sterbst«, meinte Edi.
»Richtig, Edi, völlig richtig. Oktober ist eine gute Zeit. Wir werden zusammen den richtigen Tag finden. Ist das klar, Edi? Edi und Elsa beschließen zusammen, wann es soweit ist. Wann geht Edi los?«
»In der Nacht – wird’s gemacht«, murmelte Edi.
»Genau, mein Schatz. In einer Nacht, wenn Edi sich stark und kräftig fühlt, geht Edi los. Aber erst, wenn Papa im Bett ist, hörst du? Edi geht ins Wohnzimmer und sieht nach, ob Papa auch wirklich nicht mehr fernsieht oder vor dem Fernseher eingeschlafen ist. Wenn alles dunkel und still ist, kann nichts passieren.«
Edi schnipste mit den Fingern. »Leise leise – auf die Reise.«
»Prima, Edi!« Elsa war sehr zufrieden. »Genauso ist es. Edi zieht sich eine warme Jacke an und geht leise durch das Haus in die Trattoria. Was steht da neben der Wurstschneidemaschine, Edilein?«
»Tock, tock – Messerblock.«
»Wundervoll. Und was machst du?«
»Nimm das Messer – das geht besser.«
»Okay. Goldrichtig. Du nimmst also das größte Messer von allen und schleichst dich aus dem Haus. In der Nacht scheint der Mond. Es sind keine Wolken am Himmel. Edi kann den Weg gut sehen, aber er hat trotzdem eine Taschenlampe dabei.«
»Lampe dabei – einwandfrei«, ergänzte Edi.
Elsa fuhr fort. »Edi ist klug. Er hat nichts vergessen, und Edi weiß, dass Messer und
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