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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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einem wüsten Blick vor der Ruspa und funkelte ihn wütend an.
    »Lügner!«, schrie sie. »Du bist gar nicht mein Vater! Du bist ein Betrüger!« Dann brach sie in Tränen aus.
    Erschrocken schaltete Romano die Maschine ab und ging zu ihr. Er wollte sie in den Arm nehmen, aber Elsa schlug nach ihm. »Fass mich nicht an!«
    »Wer sagt das?«, fragte er leise.
    »Die Nonna.«
    Er breitete die Arme aus. »Spatz, setz dich zu mir, ich werde dir alles erklären.«
    »Vafanculo«, schrie sie und lief zurück zum Dorf. Romano zuckte zusammen. Ein derartig derbes Schimpfwort hatte er von Elsa noch nie gehört.
    »Komm her, Elsa!«, schrie er. »Komm zurück!«
    Augenblicklich blieb sie stehen, fuhr herum und zischte. »Du hast mir gar nichts zu befehlen, du bist nicht mein Vater!«
    Dann war sie zwischen den Oliven verschwunden.
     
    »Was bildest du dir eigentlich ein?«, brüllte Romano seine Mutter an, die in einem Zwanzig-Liter-Topf mit Tomatensoße rührte, »was denkst du dir eigentlich dabei, dich derart dreist in unsere Angelegenheiten zu mischen?«
    »Ich weiß nicht, was du meinst.«

    »Du weißt ganz genau, was ich meine«, schrie Romano, riss ihr den Kochlöffel aus der Hand und schleuderte ihn durch die Küche. »Elsa ist völlig verstört. Musst du eigentlich immer alles kaputt machen? Bist du wirklich so dumm oder einfach nur gehässig?«
    »Na, na, na«, meinte Teresa, hob den Kochlöffel auf und wusch ihn betont langsam und gründlich unter fließendem Wasser ab. »Pass auf, was du sagst. Irgendwann muss das Kind doch sowieso mal die Wahrheit erfahren.«
    »Ja, vielleicht. Aber nicht von dir! Es ist einzig und allein Sarahs Angelegenheit.«
    Teresa tat betont ruhig. »Mein Gott, nun nehmt euch doch nicht so wichtig! Erklärt der Kleinen, wer ihr Vater ist, und fertig. Sie wird sich schon wieder beruhigen.«
    »Und ich?« In Romanos Augen stand die nackte Panik.
    Teresa schaltete den Herd aus. »Wenn sie dich mag, dann wird sie dich auch weiterhin mögen. Es ist doch gar nichts passiert!«
    Romano stand in der Tür. Seine Augen schimmerten feucht. »Weißt du, was du bist, Mutter?«, flüsterte er. »Hässlich. Einfach nur hässlich.«
    Dann ließ er sie stehen.
    Teresa zog die nächste Stiege Tomaten unter dem Küchentisch hervor, nahm ihre Schürze und schnaubte sich geräuschvoll die Nase.
     
    Sarah saß mit Elsa auf der Couch, hielt ihre kleine Tochter im Arm und schaukelte sie leicht.
    »Dein Vater hieß Frank«, erklärte sie. »Kannst du dich nicht an ihn erinnern?«
    Elsa schüttelte den Kopf.

    »Ich habe mich in einem Urlaub an der Ostsee in ihn verliebt. Und kurz danach haben wir dich bekommen.«
    Elsa grinste still in sich hinein und war schon fast beruhigt. Sie schmiegte sich an ihre Mutter. »Erzähl«, flüsterte sie.
    »Ein paar Jahre später hab ich gemerkt, dass er gar nicht nett war. Nicht zu dir und nicht zu mir. Er war böse, sehr böse sogar, und da hab ich mich in Romano verliebt und bin mit dir und ihm nach Italien ausgewandert. Und daher ist Romano auch dein Papa. Weil er sich um dich kümmert. Und weil er lieb und nett ist.«
    Elsa nickte. »Hast du ein Foto von meinem richtigen Papa?«
    Sarah schüttelte den Kopf. »Nein. Kein einziges. Ich weiß auch nicht, warum, aber ich hab ihn nie fotografiert. Lass uns nicht mehr von ihm reden, ja? Ich werde nicht gern an ihn erinnert.«
    »Ich auch nicht«, bestätigte Elsa.
    »Schweigen?«
    Elsa nickte stumm.
    Sarah hielt die Hand auf, und Elsa schlug mit ihrer kleinen Hand ein. So kräftig, dass Sarah regelrecht zusammenzuckte.

Toskana, 22. September 1990 – fünfzehn Jahre vor Sarahs Tod
    36
    An Edis zweitem Geburtstag standen Sarah und Romano früher auf als gewöhnlich.
    Teresa hatte eine Erdbeercremetorte gemacht. Im Zuckerguss steckte eine rote Kerze, auf der kleine pausbäckige goldene Engel klebten. Neben der Torte auf dem großen Esstisch in Teresas und Enzos Wohnung wartete ein brauner Plüschbär, der genauso groß war wie Edi selber. Romano dachte, dass Edi vor so einem Riesenmonster eigentlich Angst kriegen müsste, aber er sagte nichts, um seine Mutter nicht zu verärgern.
    Ein Schaukelpferd, das Enzo geschnitzt und danach zirkusbunt angestrichen hatte, war fertig und wartete auf den kleinen Reiter. Die sechsjährige Elsa hatte ihre gesamte Bilderbuchsammlung für ihren zweijährigen Bruder aussortiert, auch wenn er noch nicht lesen konnte. Sie arbeitete sich längst durch die gesamte Weltliteratur und konnte mit

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