Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
Geräten lag. Nicola zog die Mechanik zwar ebenfalls an, doch mindestens so sehr die Alchimie. Er war ein vielseitig interessierter Mensch, verfügte über Humor und Menschenfreundlichkeit, was ihn so sympathisch machte, jeder hatte ihn gerne um sich. Auch wirkte seine Verkrüppelung nicht abstoßend, denn er hatte ein edel geschnittenes Gesicht, eingerahmt von schwarzem Haar, das er noch kürzer als Leonardo und Lucia trug, gezwungenermaßen, da es ihm sonst einseitig auf die linke Schulter gefallen wäre.
Dennoch erstaunte es Lucia, dass Gina an ihm mehr Gefallen fand als an Carlo. Weshalb, das sollte Lucia jetzt von Carlo selbst erfahren. Er setzte sich zu ihr ins Labor auf einen der Stühle, ungeachtet der Malstudie, die sie gerade ausführte und wartete, dass sie Zeit für ihn finde. Natürlich musste Lucia ihre Studie unterbrechen, und wie sie ihn dann völlig zerschmettert auf dem Stuhl kauern sah, setzte sie sich zu ihm und erkundigte sich, was vorgefallen sei. Wie stets kam er nicht direkt zum Thema, sondern fragte sie, ob sie - Lukas - in Tirol eine Freundin habe. Keine feste, behauptete sie, worauf er wissen wollte, ob sie denn nicht bald heiraten und Vater werden wolle, das strebe man in ihrem Alter doch an. Und als er fortfuhr, von einer eigenen künftigen Familie zu schwärmen, begriff Lucia seinen Kummer, den Kummer eines Homosexuellen, noch dazu den eines dieser kinderlieben Italiener. Sie ließ ihn reden, bis er endlich auf Gina kam. Sie mache ja kein Hehl daraus, dass Lukas und sogar Nicola ihr besser gefielen als er, klagte er, dennoch habe er sich Hoffnung auf sie gemacht. Doch gerade eben habe sie ihm eine hässliche Abfuhr erteilt.
"Carlo", betonte Lucia, "ich habe ihr immer demonstriert, dass sie mir lästig ist, das weißt du. Weshalb nur entscheidet sie sich nicht für dich, du bist zuvorkommend, häuslich und äußerst adrett, was hat sie an dir auszusetzen?"
"Letzteres."
"Dein adrettes Äußeres? Wieso denn das?"
"Si", brachte er mit flacher Stimme hervor, "ich habe sie eben gefragt, ob ich sie morgen zum Adventstanz ausführen dürfe, worauf sie mir an den Kopf geworfen hat, mit so einem Schnuckeligen wie mir würde sie sich nur blamieren, die Leute müssten ja denken, sie bekäme keinen richtigen Mann."
"Wie unverschämt, wie unverschämt von ihr!", regte sich Lucia auf, wobei es sie vom Stuhl hochtrieb, sie dann auf- und abging und ihm schließlich sagte: "Also ich kenne Jungfern, die einiges um deine Zuneigung gäben, die sich liebend gerne von dir ausführen ließen."
Carlo äußerte nichts dazu, blickte nur hoffnungslos mit seinen dichtbewimperten braunen Augen ins Leere. Deshalb stimmte sich Lucia um, nahm wieder neben ihm ihren Platz ein und erkundigte sich mit sanfter Stimme:
"Bist du verliebt in sie?"
"Si . . No, nur vielleicht. Jedenfalls habe ich es mir eingeredet."
Lucia tröstete ihn: "Dann ist es ja nur halb so schlimm, Carlo, weil sie auch nicht zu dir gepasst hätte. So hübsch sie auch ist, sie ist zu derb für dich, in wenigen Jahren wird sie die gleiche Matrone sein wie ihre Mutter. Wolltest du solch eine Frau?"
Darauf richtete sich sein Kopf wieder hoch, und er sprach aus, was ihn in Wahrheit bewegte: "Sie hat genau meinen wunden Punkt getroffen, hat behauptet, eine Frau würde keinen richtigen Mann in mir sehen. Aber du hast vorhin gesagt, du kennst Jungfern, die was um mich gäben, stimmt denn das? War das damals auf dem Pfingsttanz? Da ist mir nämlich aufgefallen, dass ich auch Frauen gefallen könnte."
Obschon Lucia das Gespräch jetzt unangenehm wurde, bestätigte sie ihm, was er sich sehnlich wünschte: "Und ob du den dortigen Damen gefallen hast, jede hat doch mit dir tanzen wollen. Aber ich habe vorhin andere Jungfern gemeint, die Freundinnen deiner Schwester, sie sind ganz närrisch nach dir. Ich weiß dass von Anna selbst."
"Das sind doch noch Gänschen."
"Sag das nicht", widersprach Lucia, "wenn du an Weihnachten nach Hause kommst, ist mindestens eine von ihnen verlobt."
"Trotzdem, für mich sind das Kinder. Wenn überhaupt, dann kann mir nur eine reifere Frau gefallen, eine, die bereits im Leben steht. Und jetzt sag mir bitte, soll ich es nochmal bei solch einer Frau versuchen? Kann ich das wagen?"
Diese Frage zu beantworten war wahrlich nicht leicht, doch Carlo wartete darauf, und Lucia fiel nichts Besseres ein, als ihn bei seiner männlichen Seite zu packen: "Wenn du ein ganzer Kerl bist, dann ran mit dir!"
Darauf ballte er mit draufgängerischer Miene
Weitere Kostenlose Bücher