Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
Geräte ständig überwacht, doch seit seiner Rückkehr zeigte er kein Interesse mehr daran. Dafür plagte ihn Lucia gegenüber sein Gewissen, obgleich ja ihm seit Anbeginn an dieser Einrichtung mehr gelegen hatte als ihr. Als Lucia jetzt, mehr aus Höflichkeit, einen Blick in diesen unausgekachelten leerstehenden Raum warf, ging er ihr nach und erklärte schuldbewusst, er werde dieser Tage in der Schmiede nachsehen, wieweit der Auftrag gediehen sei. Um sein Gewissen zu entlasten, sagte ihm Lucia: "Wenn ein Teil der Geräte bereits fertig wäre, Maestro, oder die Schmiede Fragen dazu hätten, dann würden sie sich doch hierher bemühen."
"No", gab der Maestro zu, "das sind Faulenzer, man muss ihnen ständig Dampf machen."
"Soll denn ich mal dort hin reiten und ihnen einheizen?"
Dieser Vorschlag brachte ihn laut zum Lachen, wonach er ihr erklärte: "Für sowas bist du zu jung, Kleiner, diesen Kerlen kann man nur mit Donnerstimme beikommen, und das überlass besser mir."
Auch diesen Zug mochten die Artisti und Garzoni an ihrem Maestro, er war spontan und sagte alles frei heraus, was andere zwar mitunter schockierte, doch gerade diese Offenherzigkeit machte den Umgang mit ihm so unkompliziert.
Kapitel 5 • Ab Winterende 1491
Studienblatt zu Katzen und Fabelwesen
Weiche Luftwellen kündeten den nahenden Lenz an, als Lucia von Alphonse einen eilig verfassten Brief empfing. Er teilte ihr mit, ihre Mutter habe ihn gebeten, umgehend nach Meran zu kommen, da der Advokat ihres Gatten in der Erbschaftsangelegenheit in übelster Weise gegen sie, Lucia, vorgehe. Nach kurzem Schreck las Lucia weiter:
Wenn Du diesen Brief in Händen hältst, befinde ich mich bereits auf dem Weg nach Meran. Außerdem, ma Chère, um das Erbe in deinem Besitz zu halten, musst Du Dich eventuell noch vor dem Erreichen Deiner Volljährigkeit von mir adoptieren lassen. Das ließe sich ohne Schwierigkeiten durchführen, da ich diesen Ausweg schon länger ins Auge gefasst und vorbereitet habe. Doch vorerst werde ich erkunden, was dieser Advokat Schautze gegen Dich ausheckt, und auf meiner Rückreise werde ich bei Dir hereinschauen, um Dich über den Sachverhalt zu unterrichten.
Bis dann, Lucia, und Kopf hoch.
Es grüßt Dich Alphonse.
Diese Nachricht bestürmte Lucias Gemüt wie ein Gewitter. Nun hatte sie während der letzten Monde endlich eine versöhnlichere Einstellung zu ihren Eltern gefunden, sah ihr Verhalten in einem objektiveren Licht, wodurch sie sogar ihrem Vater so manches nachsehen konnte - und dann diese Mitteilung. Ihr Vater ging weiterhin gegen sie vor. Andererseits überraschte sie die Haltung ihrer Mutter, die ihr plötzlich wieder beistand, wenigstens sie enttäuschte Lucia diesmal nicht.
Gerade deshalb lehnte sie sich gegen eine Adoption entschieden auf, sie würde ihre Mutter damit verletzen und ihren Vater noch mehr erzürnen, und das war ihr die Erbschaft nicht wert. Soll ihr Vater mit dem Bellwillwerk doch glücklich werden, für sie zählten andere Werte.
Dann aber ihr mahnendes Unterbewusstsein:
'Warst du bei diesen Überlegungen nicht etwas zu hartnäckig?'
" . . Mag sein."
'Schon verbohrt?'
" . ? ? ? . . ."
Lucias Verstörtheit seit jener Nachricht verriet sich in den kommenden Tagen mit jeder ihrer Gesten, jedem Wort und jedem Blick. Doch aus Takt sprach sie niemand darauf an.
Lediglich Carlo versuchte eines Abends, sie aus der Reserve zu locken, indem er sie wie beiläufig fragte, ob sie bereits wisse, wo sie Ostern verbringen wird.
"No", erklärte sie ihm mit leerer Stimme, "das hängt von meinem Onkel ab, er wird mich demnächst besuchen. Hoffentlich noch rechtzeitig."
Darauf fand der mitfühlende Carlo die genau richtigen Worte für sie: "Auch wenn Ostern nicht ganz nach deinen Wünschen verlaufen wird, Lukas, vielleicht entwickelt sich in deiner Familie noch alles so erfreulich, dass wir beide dann nächstes Weihnachten bei dir in Tirol feiern."
Weihnachten mit Carlo bei ihrer Familie, diese Vorstellung erweckte bei ihr ein wehmütiges Lächeln.
Am Gründonnerstag ritt Carlo ohne Lucia nach Verona. Auch die anderen Künstler und Salai verabschiedeten sich im Laufe des Tages, um die Feiertage bei ihren Familien zu verbringen. Maestro Leonardo hingegen blieb, er brachte es nicht übers Herz, Lucia alleine zurück zu lassen.
Erst am Ostermontag traf Alphonse in der Bottega ein, und so freundlich er Maestro da Vinci und Lucia auch begrüßte, er wirkte abgekämpft. Lucia bangte, was hatte sich in Meran
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