Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
nicht der Schlechteste, das kann ich dir nicht oft genug sagen. Auch sein jetziges Verhalten richtet sich nicht gegen dich persönlich, was du im Grunde auch weißt, er will eben Besitzer des Bellwillwerkes werden, das muss seit jeher sein Wunschtraum gewesen sein."
Meinetwegen kann er es bekommen, trotzte Lucia und wollte Alphonse nun mitteilen, sie lasse sich nicht adoptieren. Sie setzte dazu an - brachte es aber nicht fertig. Und da Alphonse ihr angemerkt hatte, dass sie etwas äußern wollte, erkundigte sie sich stattdessen nach Justus. Der trete jetzt, nach vier Jahren Elementar- und vier Jahren Lateinschule, auf Geheiß seines Vaters die Laborantenlehre an, tat Alphonse ihr kund, obschon er lieber Mechaniker werden würde.
Während Alphonse ihr anschließend ausführlich von ihrer Familie berichtete, wurde sie immer weicher und konnte ihm erst recht nicht sagen, dass sie mit der Adoption nicht einverstanden war. Das Ende vom Lied, beim Verabschieden widersprach sie nicht, als er ihr auftrug, ihn morgen Früh wieder hier auf zu suchen, sich als Lucia um zu kleiden und dann die von Advokat Rossi vorbereitete Adoptionsurkunde zu unterschreiben.
Auf Lucias anschließendem Weg zur Bottega klang alles, was sie über ihre Familie erfahren hatte, wohltuend in ihr nach. Vornehmlich die geänderte Haltung ihrer Mutter. Doch während der letzten Schritte machte sich auch Groll in ihr breit, Groll auf sich selbst. Sie hatte sich von Alphonse weich reden lassen und dadurch den Mut verloren, sich gegen die Adoption auszusprechen.
Im da Vinci-Palazzo suchte sie sogleich ihre Wohnung auf, obwohl Abendbrotzeit war und der Maestro jetzt sicher mit den beiden Knechten im Blockhaus saß. Doch sie war außerstande, ihnen Gesellschaft zu leisten, sie musste jetzt mit sich selbst alleine bleiben. Um noch ein wenig den Lenz zu kosten, öffnete sie das Fenster der Guten Stube und blickte hinaus in die bereits sachte einsetzende Dämmerung. Die Zweige des Pfirsichbaums, die einen Teil des Fensters bedeckten, brachten schon Knospen hervor, Lucia gelang es, sich in die Zweige einzufühlen, wobei sie spürte, wie frischer Frühlingssaft die Zweige durchströmte, sie mit Leben erfüllte, sie zum Sprießen brachte. Der ganze Baum war erfüllt von Frühlingsjubel. Das animierte sie, ihn zu malen, doch sie musste dieses Ansinnen verschieben - später mal, tröstete sie sich, und dann im Atelier und aus dem Gedächtnis. Nein, fiel ihr aber sogleich ein, damit würde sie das gleiche Ergebnis erzielen wie bei ihrem Rosenbild. Ob sie mit der ständigen Unterdrückung ihrer Weiblichkeit je eine eingetragene Künstlerin werden könne? Diese Frage führte sie wieder zurück zu dem, wovon sie sich hatte ablenken wollen, die Adoption.
Mit schwerem Kopf wandte sie sich vom Fenster ab, schloss es, zündete die auf ihrem Marmortisch stehende Lampe an und ließ sich dann in den nächststehenden Sessel sinken. Welche Idiotie, dachte sie jetzt wieder, drei Wochen vor ihrem einundzwanzigsten Geburtstag soll sie sich noch adoptieren lassen. Und das wegen eines Erbes, das ihr eher lästig war. Offensichtlich könne Alphonse nicht ermessen, wie lästig, sogar unzumutbar. Endlich über eigenes Geld zu verfügen, könne ihr zwar gefallen, gestand sie sich ein, nicht aber die damit verbundenen Verpflichtungen auf dem Bellwillhügel. Denn dort wäre sie dann außer für das Werk auch für das Anwesen mit seinem großen Park und dem Jagdforst und zusätzlich noch für die fünf geerbten Mehrfamilienhäuser unten in der Stadt verantwortlich. Eine für einen einzigen Menschen kaum zu bewältigende Aufgabe. Und wie sollte sie unter diesen Umständen dann ihr Studium fortführen und später ihrem Kunstberuf nachgehen können? Hatte Alphonse das nicht bedacht? Ah, das konnte er wohl nicht, da er nicht mal ahnte, wie viel Anforderungen alleine schon die Führung eines Großbetriebes und zusätzlich noch die eines herrschaftlichen Anwesens stellen.
Plötzlich ein Pochen an ihrer Wohnungstür. Sie blickte überrascht hin, und kaum hatte sie um Eintritt gebeten, tat sich die Tür auf und der Maestro betrat in violett-weißer Künstlertracht den Flur: "Komm, Lukas", hielt er ihr auffordernd beide Hände entgegen, "komm mit mir, wirst es nicht bereuen."
Lucia rätselte, was er vorhatte, seiner flotten Kleidung nach will er ausgehen: "Wo führt Ihr mich hin, Maestro?"
"Nur rüber zu mir, dort habe ich eine Kleinigkeit für uns hergerichtet. Hier hinein, prego, in die Gute
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