Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
vor Weihnachten.
Sie scheint das Gegenteil von Angelina zu sein, folgerte Lucia aus Alphonses Schilderung und empfahl ihm, Angelina gleich morgen aufzusuchen, um ihr endlich die letzten Hoffnungen zu nehmen. Da er darauf nicht einging, erzählte Lucia ihm von ihrer Begegnung auf dem Pfingstfest. Darüber erschrak er und gestand ihr, Angelina habe bei seinem letzten hiesigen Besuch in seiner Kutsche ihr, Lucias, Brokatkleid entdeckt und ihn zur Rede gestellt. Das Kleid gehöre seiner Nichte, habe er ihr erklärt, wobei ihm wohl ihr Name herausgerutscht sei.
Lucia tröstete ihn: "Halb so schlimm, sie weiß nicht mal mehr, wie mein Vorname richtig lautet."
Das beruhigte ihn. Dennoch blieb seine Miene verdrossen, denn nun offenbarte er Lucia Näheres über seine Liaison mit Angelina. Vergangenes Jahr habe er durchschaut, dass es ihr nie um ihn persönlich gegangen sei, sondern um das Belleville-Geschlecht, dem sie zu gerne angehören würde, am liebsten wohl als künftige Marquise de Belleville. Das sei eine bittere Pille für ihn gewesen. Andererseits jedoch eine heilsame, und sie sei ihm noch rechtzeitig verabreicht worden, sonst wäre er nicht auf Claire aufmerksam geworden.
"Umso mehr Anlass, dieser raffinierten Donna morgen endgültig zu kündigen", beharrte Lucia auf ihrem Vorschlag.
Wogegen er sich jedoch sträubte: "Non, das erledige ich auf der Rückfahrt, erst wenn wir in Meran alles dingfest gemacht haben."
"Alfonso, Alfonso", konnte Lucia darüber nur den Kopf schütteln, worauf er verschämt in eine andere Richtung blickte. Um ihn nicht weiter zu bedrängen, lenkte sie das Thema auf ihre Fahrt nach Meran. Das griff er dankbar auf und schlug vor, morgen einen Ruhetag einzulegen, und übermorgen werde er sie nach dem Frühstück vor der Bottega mit einer Droschke zur Abfahrt erwarten.
"Einverstanden", nickte Lucia. "Nur wäre es nett, wenn du schon morgen Abend kurz in unsere Bottega hereinschaust, Leonardo würde gerne mit dir auf unsere Verwandtschaft anstoßen."
"Natuellement werde ich kommen, mir liegt an unserer Verbrüderung doch ebensoviel. Aber sag deinem Maestro, für mich bitte keinen Wein, der bekommt mir bei dieser Hitze nicht."
Wieder keinen Wein, was ist in letzter Zeit nur mit ihm?, rätselte Lucia auf ihrem Heimweg.
Gerade hatten Leonardo und Lucia auf der Blockhausterrasse den kleinen Extratisch mit Knabbereien, Pfirsichsaft und Windlichtern fertig hergerichtet, als Alphonse eintraf.
"Hallo, mein Schwippschwappschwager!", begrüßte Leonardo ihn, und Alphonse, nie um einen Einfall verlegen, baute sich dicht vor dem stattlichen Leonardo auf, sah zu ihm hoch und grüßte zurück: "Salve, erhabener Bruder!"
Der nahm ihn lachend am Arm und befand: "Das begießen wir jetzt."
Mit charmanter Handbewegung wies er für Lucia auf einen Stuhl, schob ihn ihr allerdings nicht zurecht, bot Alphonse dann ebenfalls Platz an und ließ sich schließlich auf den von Lucia entferntesten Stuhl nieder. Bloß wieder weit möglichst weg von mir, dachte sie gekränkt, sah jedoch gleich darauf ein, dass diese Distanz in Alphonses Gegenwart angebracht war.
Nachdem sich Leonardo und Alphonse mit Pfirsichsaft verbrüdert hatten, entspann sich unter den Dreien eine Unterhaltung über die Bellesigni, wobei Lucia endlich zu erfahren hoffte, welcher Makel, den Leonardo an jenem Abend in seiner Wohnung erwähnt hatte, ihrer Sippe anhaften soll. Doch weder Leonardo noch Alphonse verloren ein Wort darüber, und als Lucia schließlich danach zu fragen wagte, gerieten sie zwar aus dem Konzept, stellten sich jedoch unwissend. Sie war enttäuscht, wenigstens Alphonse hätte sie doch jetzt darüber aufklären können, schließlich wusste er, dass sie mündig war, also ein Recht darauf hatte. Stattdessen lenkte er ab. Er kam auf den Wappenvogel der Bellesigni zu sprechen, den Goldadler Alienor, und anschließend unterhielten sich die beiden geschichtsfreudigen Männer über die Bellevilles, die sich vor vierhundert Jahren wegen der damaligen Kreuzzugkampagnen von den übrigen Bellesigni abgesondert hatten.
"Und gerade ihr Bellevilles lebt bis heute in unserem Ursprungsland Südfrankreich", strich Leonardo heraus und berichtete anschließend von seiner eigenen Herkunft.
Seine Eltern seien beide Bellesigni, doch sie hätten nicht geheiratet, eröffnete er ihnen, vielmehr hätten sie sich auf Geheiß ihrer beiden Väter noch vor seiner Geburt trennen müssen. Er sei dann die ersten fünf Jahre bei seiner Mamma und anschließend bei
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