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Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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uns eine unangenehme Unterredung mit deinem Vater ersparen."
Auf Lucias Wunsch spazierten sie jetzt durch Meran zu jenem Waldstück außerhalb der Stadt, von dem aus man zum Bellwillhügel hoch blicken konnte. Wenigstens von weitem wollte sie ihn schon heute mal vor Augen bekommen, obgleich die Gebäude darauf auch von diesem Platz aus nur bedingt zu erkennen waren.
Bald mäßigte Lucia ihren Schritt, da Alphonse die Hitze erschöpfte. Das war ihr bereits auf der Reise aufgefallen, wo er häufige Kurzpausen hatte einlegen lassen, um sich im Schatten die Beine etwas zu vertreten, und immerzu hatte er sich, wie auch jetzt wieder, den Schweiß von der Stirn tupfen müssen.
Lucia belastete die Hitze nicht, sie trug ihr luftiges Reisekostüm. Herrlich für sie, wieder Lucia zu sein. Dennoch wollte sie als solche heute noch nicht erkannt werden, was sich jedoch nicht ganz verhindern ließ, immer wieder trafen sie erstaunte Blicke - "Ist das nicht die junge Rodder?" "Nein, die ist doch verschollen." "Doch, das ist die Rodder!" Lucia beachtete diese Menschen nicht, tat, als sei sie mit Alphonse in wichtige Gespräche vertieft, worin er sie unterstützte, er redete mit ihr in seiner lebhaften Art, meist auf französisch, mitunter aber auch auf tirolerisch, das er nur unzureichend beherrschte. Lucia wusste, weshalb die Meraner nicht sicher waren, ob da tatsächlich die junge Rodder durch ihre Stadt spaziere, ihr auffallend dickes langes Haar, das sie sich meist nur locker aufgesteckt hatte, fehlte. Das brachte sie auf die Idee, sich nachher einen breitkrempigen Sommerhut zu kaufen, unter dem ihr kurzes Haar dann völlig verschwänd. Als Erwachsene musste sie sich jetzt ohnehin daran gewöhnen, außer Haus stets eine Kopfbedeckung zu tragen, auch wenn sie noch unverheiratet war. Ja, spöttelte sie jetzt innerlich über sich selbst, mit meinen einundzwanzig Jahren bin ich längst eine alte Jungfer.
Unterdessen hatten sie durch das nördliche Torhaus die Stadt verlassen, wonach sie bald ihr Ziel erreichten.
Am Waldrand ließen sie sich unter einer Buche auf den laubbedeckten Boden nieder. Wenige Schritte vor ihnen führte ein breiter Weg hoch zum Bellwillhügel, der Zufahrtsweg für Transportfuhrwerke. Da der Hügel leicht bewaldet war, konnte man von den sieben Werksgebäuden nur das zweistöckige Kontorhaus erkennen, die anderen, allesamt Flachbauten, sowie Lucias Elternhaus lagen hinter Bäumen verborgen.
Jetzt richtete Lucia ihren Blick etwas nach rechts. Trotzdem der Hügel von da an bereits nach hinten abfiel, sah sie das rote Ziegeldach des schlossartigen Herrenhauses durch die Baumkronen leuchten. Vor vierundzwanzig Jahren hatte ihr Großvater dieses Gebäude mit mehreren Säulen und etlichen Giebeln errichten lassen, ganz nach seinem luxuriösen Geschmack. Doch wegen seines düsteren Anstrichs hatte Lucia es immer als erdrückend empfunden. Sie erinnerte sich, wie viele Feste ihre Großeltern einst in ihrem Herrenhaus veranstaltet hatten, mit oft unzähligen Gästen. Heute stand es leer, wurde nur noch unter der Leitung ihrer Mutter, der hiesigen gnädigen Frau, von Domestiken gepflegt, die größtenteils auf dem gleichen Gelände im Gesindehaus wohnten. Wenn die Erbschaft morgen rechtskräftig wird, gerät auch dieses Anwesen in Lucias Besitz, und damit wäre sie hier die gnädige Frau. Mit allen Hausfrauenpflichten! - Nein, das werde ich nicht, sagte sie sich sogleich, dieses Privileg überlasse ich weiterhin Maman.
"Würdest am liebsten schon jetzt hinauflaufen, wie?", sprach Alphonse sie nun an.
"Nein", lächelte sie, lehnte sich seitlich auf den Unterarm und träumte dann von den fröhlichen Stunden, die sie trotz aller Unbill hier erlebt hatte.
Allzu lange konnten sie sich hier nicht mehr aufhalten, denn Lucia musste sich bei der Gendarmerie einen Ausweis auf ihren neuen Namen erstellen lassen, und anschließend wollte sie sich noch den Hut kaufen.

    Während Lucia sich Tags drauf in ihrer Logisstube für den Termin in Herrn Schautzes Kanzlei herrichtete, besorgte Alphonse eine Droschke. Heute Früh hatte Alphonse sie daran erinnert, dass er die Truhe mit ihrem dunkelblauen Brokatkleid, das ihre Mutter ihm seinerzeit für sie eingepackt hatte, mit sich führe, worauf sie beschlossen hatte, es hier im Gasthof aufbügeln zu lassen und zu dem heutigen Anlass mit allem Zubehör zu tragen. Ihre Mutter werde verstehen, dass sie ihr damit ihr Entgegenkommen ausdrücken will.
Inzwischen fertig gekleidet, hätte sie sich

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