Hexenkuss
verlieben ... Ich bin eine Cahors, und das werde ich immer bleiben. Aber... aber ich ... er ist jetzt mein Ehemann.« Sie wischte sich die Augen und rieb sich die Hände an ihrem Gewand. Dann stand sie auf, trat an die Feuerschale und wärmte die eiskalten Hände an den natürlichen, gelben Flammen.
»Er hat dich behext«, sagte Catherine und tippte mit dem rechten Zeigefinger an die linke Handfläche, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Du musst dich durch den Zauber zurückarbeiten, Kind. Er ist ein Deveraux, und er muss mit den übrigen sterben.«
Ehe Isabeau protestieren konnte, fuhr sie fort: »Denk nach, Mädchen. Wir können nicht zulassen, dass der Bluterbe unseres ärgsten Feindes das Massaker an seiner ganzen Familie überlebt! Er würde uns alle verfluchen, und sein Geist würde nicht ruhen, ehe jede Cahors überall auf der Welt tot ist. Er würde Jagd auf unsere Nachkommen machen, und auf ihre Nachkommen, und du wärst schuld daran, ja, und ich, wenn wir jetzt zaudern.«
Ihre Mutter beugte sich vor und hob Isabeaus Kopfputz auf. Sie hielt ihn ihrer Tochter hin, und Isabeau nahm ihn.
»Jetzt beschreibe mir die Ein- und Ausgänge des Schlosses«, befahl ihre Mutter. »Lass nichts aus. Glaube nicht, du könntest mich narren, um ihn zu schützen.«
Isabeau tupfte sich die Nase ab. Ihre Hände zitterten. »Die ... die Mauer im Norden ist weniger stark befestigt als die anderen. Weil sie über dem steilsten Abhang steht.« Sie wankte.
»Setz dich.«
Catherine ging zur Tür des Turmzimmers und stieß sie auf. Dabei ertappte sie die an der Tür lauschende Berenice, eine Hofdame aus Toulouse. Berenice schnappte nach Luft und sank in einen tiefen Knicks.
»Wein«, sagte Catherine nur. Doch nachdem die alberne Gans gegangen war, wandte sie sich zu ihrer Tochter um und fragte: »Du würdest mich doch nicht bitten, sie zu verschonen, oder?«
Langsam schüttelte Isabeau den Kopf. Ihr Blick war hart wie Stahl. Erst kürzlich hatte eine Dienerin der Cahors die Familie beim Bischof denunziert und behauptet, sie hätten das Neugeborene der Müllersfrau ihrer Göttin geopfert. Die Verräterin war eine junge Wäscherin gewesen, die um einer anderen Dienerin willen beiseitegeschoben worden war. Ihr Vater hatte darauf bestanden, dass der junge Adlige, der ihre Gesellschaft genossen hatte, eine Entschädigung zahlte, weil er ihren Wert bei einer zukünftigen Hochzeit geschmälert hatte. Doch der Bischof dachte in solchen Angelegenheiten wie die Familie des Edelmanns: Die untersten Klassen brauchten nicht zu heiraten. Für Leibeigene war das ein Luxus, und wenn die junge Frau ihre Chance weggeworfen hatte, so war das der Wille Gottes.
Doch tat ihr rachsüchtiges Geschwätz seine Wirkung, denn in der nahen Stadt Toulouse verbreitete sich das Gerücht, die Cahors opferten Säuglinge.
Nach einer Weile stattete der Bischof Catherine einen Besuch ab, und als er das Schloss wieder verließ, hatte er zahlreiche Kästen voller Goldmünzen für das Werk Gottes bei sich. Er versicherte den nervösen Dorfbewohnern, dass es weder Hexen noch Zauberer in der Nähe solch gottesfürchtiger Christen wie der Familie Cahors geben könne.
Trotzdem wurde das Gerede immer hitziger, und sowohl die Deveraux als auch die Cahors hatten Anlass zur Sorge - die Cahors besonders, denn die leichtsinnigen Deveraux gingen bei ihrer Ausübung der Magie keineswegs diskret oder subtil vor.
»Berenice wird bis zum Morgen tot sein«, sagte Catherine nun.
Isabeau nahm den Opferdolch, der neben dem geschlachteten Lamm lag. Er war zu Zeiten der Römer geschmiedet und seither von Mutter zu Tochter in der Familie vererbt worden.
»Ich werde es selbst tun«, verkündete Isabeau.
Ihre Mutter lächelte und murmelte einen Segen für ihre Tochter. Dann sagte sie viel gütiger: »Du wirst auch dies überstehen, Isabeau. Es ist schwer, ich weiß. Aber wenn er tot ist, werden seine Zauber ihre Wirkung verlieren, und du wirst erkennen, wie abscheulich er dich benutzt hat.«
Isabeau seufzte schwer. Er hatte sie verhext, ja; aber wie hätte sie ihrer Mutter von den machtvollen Zaubern erzählen können, die sie gemeinsam geschaffen hatten, von der unglaublichen Macht, die sie besaßen, wenn sie geeint als Mann und Frau durch ihre Arbeit die okkulten Kräfte der Finsternis und der Schatten beherrschten?
Sie hatte nicht gewusst, dass es eine solche Macht gab. Und nun sollte sie bewusst darauf verzichten. Kein Lebender verfügte über stärkere Magie als sie
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