Hexenkuss
ein Dutzend Raben, Symbole der Deveraux. Nach einem langen Feuerritual beschwor Michael seinen Ahnen Laurent für seinen ältesten Sohn, der das, was er sah, mit offenem Mund anstarrte.
Ihr Ahnherr ließ sich reichlich Zeit, und wie üblich erschien der französische Hexenmeister als verwesender Leichnam. Heute Nacht war er fast durchsichtig, und sein fauliges Fleisch hatte eine Übelkeit erregende blaugraue Färbung.
»Dies ist Eli, mein Sohn«, verkündete Michael dem halb sichtbaren Kadaver. »Knie nieder«, zischte er dem Jungen mit zusammengebissenen Zähnen zu.
Hastig fiel Eli auf die Knie.
»Einer von zwei Söhnen«, sprach Laurent mit Lippen, die sich nicht bewegten. »Wenn er nicht mehr vollbringt als dein anderes Kind, wird er ein angemessenes Opfer abgeben.«
Eli erbleichte, und Laurent lachte. Der Laut hallte grausig von den Wänden wieder, die Schmerz und Tod und noch Schlimmeres gesehen hatten. Michael ließ sich auf ein Knie nieder und sagte: »Er ist mein Erstgeborener.«
»Erstgeborene Söhne sind rar und kostbar«, bemerkte Laurent. »Umso besser, wenn ein Vater sich schon von einem trennen muss...«
Michael schwieg und versuchte einzuschätzen, wie ernst es Laurent damit war. Wird er verlangen, dass ich Eli töte? Stellt er mich auf die Probe?
Denn diesen Test würde ich bestehen ...
Er betrachtete seinen Sohn mit nichts als leisem Bedauern im Herzen. Sasha hatte recht - ich kann niemanden lieben. Aber es war falsch von ihr, mich zu verlassen. Es gibt noch so etwas wie Loyalität.
Na schön, meine Stärke mag die Loyalität auch nicht sein. Aber Sasha hätte mich unterstützen müssen, statt mir allein zwei Kinder aufzuhalsen.
Laurent ging auf dem marmornen Boden auf und ab, doch seine Schritte erzeugten kein Geräusch. Michael beobachtete ihn gelassen. Eli warf einen raschen Blick zu ihren Athamen auf dem Altar - vielleicht dachte er an Selbstverteidigung oder Vatermord, Michael wusste es nicht.
»Dein anderer Sohn - Jeraud - ist vom Geist meines Kindes besessen. Jean«, verkündete Laurent. »Deshalb ist er dir davongelaufen.«
Michael riss überrascht den Mund auf. Eli wirkte völlig verblüfft und raunte: »Wer ist Jean?«
»Isabeau ist es gelungen, im Leben von Holly Cathers Einzug zu halten«, fuhr der Herzog fort.
»Fürst und Fürstin«, murmelte Michael. Er neigte den Kopf zur Seite und sah seinen Gönner an. »Ihr habt mir erzählt , es sei nur eine Legende, dass die Magie der Cahors, verbunden mit der Deveraux-Magie, eine viel machtvollere Mischung hervorbringt als die gewöhnlichen Mann-Frau- Zauber, die ich versucht habe.«
»Die du mit Marie-Claire versucht hast, entgegen meiner strikten Anweisung«, erklärte Laurent streng.
»Ich wollte sie töten«, protestierte Michael.
»Das solltest du. Sie und ihre Töchter bergen ebenfalls Macht in sich. Doch vor allem ist es die kleine Cousine, die vernichtet werden muss.«
»Dad?«, flüsterte Eli. »Was läuft hier?«
»Halt den Mund«, zischte Michael ihm zu. Er streckte Laurent die Hände entgegen. »Gebt mir das Schwarze Feuer, mein Fürst, und ich werde sie alle verbrennen.«
Nun lächelte Laurent verbittert. »Erst müssen die Cahors-Hexen eliminiert werden«, sagte Laurent. »Wir können mit der Schöpfung des Schwarzen Feuers nicht fortfahren, solange sie am Leben sind. Dass Holly Cathers den Zauber entschlüsseln und lernen könnte, das Schwarze Feuer zu beschwören... undenkbar.«
Frustriert, aber auch hoffnungsvoll verschränkte Michael die Arme vor der Brust und verneigte sich. »Oui, mon seigneur.«
»Der Jahrestag des Verrats ist nahe. Wenn Holly bis zum Metmond nicht gestorben ist, verlierst du meine Gunst.« Er drohte Michael mit einem knochigen Finger, von dem die Haut in Fetzen hing. Anstelle des Fingernagels schimmerte daran eine Kralle, so lang und gebogen wie die Mondsichel. »Vergiss nicht, Sterblicher, dass ich Zeit habe und abwarten kann. Solltet ihr, du und deine Söhne, mich enttäuschen, werde ich mich der Hilfe anderer Deveraux-Hexer bedienen. Ihr seid nicht die Einzigen auf dieser Welt.«
Michael schluckte. Es wäre naiv gewesen, anzunehmen, dass sie die einzigen Nachkommen des edlen Deveraux-Covens waren, aber bisher hatte er keine anderen aufspüren können. Eines Tages ...
»Hör mal... äh, mein Fürst. Müssen wir... sollen wir alle Cathers umbringen?«, fragte Eli Laurent. »Eine von ihnen ist nämlich meine Freundi-«
Der französische Adlige starrte ungläubig und fassungslos auf
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