Hexenkuss
festzustellen, wo sie sein sollte. Aber die Menge war so dicht, und sie hatte nicht aufgepasst - sie war nicht einmal mehr sicher, ob sie es geschafft hatte, im selben Raum zu bleiben. Das Foyer bildete fast den Mittelpunkt des Hauses und hatte vier große Türen, von denen eine in das kleine Wohnzimmer ging. Jede Tür führte in einen Raum, der in einen weiteren Raum führte, wie in einem Labyrinth. Jede Ecke und Kante war mit den gleichen Holzarbeiten verziert, und die gleiche dunkle Täfelung aus Walnussholz unterteilte alle Wände in Fächer.
Waren sie und Amanda im Esszimmer gewesen oder im Wohnzimmer? Das einzige markante Bauteil, das groß genug war, um es im Gedränge auszumachen, war die geschwungene Treppe im Foyer, und sie arbeitete sich dorthin durch. Wo war Amanda? Ihre Cousine war vermutlich irgendwie abgelenkt worden, war Freunden begegnet oder so. Vielleicht wäre es besser, wenn Holly sich selbst auf die Suche nach ihr machte - sie kam sich reichlich dumm vor, wie sie hier am Fuß der Treppe stand. Das musste aussehen, als sei sie versetzt worden und wüsste nicht, was sie mit sich anfangen sollte. Sie ließ den Blick über die Menge schweifen und wurde immer nervöser, obwohl sie nicht genau wusste, warum. Vielleicht sollte sie -
Quer durch den Raum trafen sich ihre Blicke, und Holly konnte sich endlich eingestehen, dass sie eigentlich nach ihm gesucht hatte.
Jer.
Er trug kein Kostüm, sondern sein übliches Schwarz. Mit seinem dunklen Haar, den dunklen Augen und Brauen erinnerte er Holly an den Teufel. Dieses Mädchen war bei ihm und noch zwei Jungs, und alle schienen sich hier sehr unwohl zu fühlen.
Holly atmete ein, und alles im Raum wurde ganz scharf, um dann plötzlich in einem seltsamen, leicht wabernden grauen Nebel zu verschwinden, als er auf sie zukam. Soll ich jetzt atmen? Oder still stehen bleiben? Schlug ihr Herz überhaupt noch? Sie fühlte sich wie eine Maus, die hilflos und gelähmt erkennt, dass der tödliche Blick des jagenden Bussards sie erspäht hat.
Er hätte eine Weile brauchen müssen, um sich zu ihr durchzudrängeln, aber seltsamerweise war es nicht so - sie blinzelte, und er stand direkt vor ihr, so nah, dass sie eine Kerzenflamme sehen konnte, die sich in seinen Augen spiegelte, und einen Hauch von Stoppeln an seinem Kinn. Sein Duft war erdig und warm, und seine Nähe - er stand kaum eine Handbreit von ihr entfernt - ließ kleine Schauer der Erregung über ihre nackten Arme laufen.
Jer neigte mit einer beinahe verwunderten Bewegung den Kopf leicht zur Seite, als könnte er einen Moment lang nicht begreifen, was mit ihm geschah, mit ihnen. Doch diese aufblitzende Verwirrung war eine Sekunde später vergessen, als ein Partygast - nicht mehr als ein Schemen in Hollys Augenwinkel - ihn von hinten anrempelte und ihr direkt in die Arme stieß.
Er streckte instinktiv die Hände aus, und in dem Augenblick, als seine Haut die ihre berührte, waren sie verloren.
Jers Hände strichen an ihren Armen hinab, und ihre Finger verschlangen sich wie von selbst. Hitze stieg Holly ins Gesich t, ihre Arme und Hände brannten, und ein unerwartetes Begehren schnürte ihr die Brust ein, so dass sie kaum noch atmen konnte.
Als sie sich gemeinsam umdrehten und die Treppe hinaufstiegen, hätte sie nicht sagen können, wohin sie gingen und warum ... nur, dass sie zusammen irgendwohin gehen mussten, und zwar sofort. Das Gelächter von der Party unten, die Musik und das Stimmengewirr, alles war verschwunden. Es gab nur noch sie und Jer und den Nebel, der sich sanft silbrig-grün gefärbt und sie beide verschluckt hatte, um sie vom Rest der Welt zu trennen.
Holly war sich der Stufen unter ihren Füßen nur sehr vage bewusst - da war kein festes Holz unter ihren Schuhen, sondern nur ein leichtes Gefühl des Drucks bei jedem Schritt, während sie beide auf ihrem persönlichen Wolkenteppich aufstiegen. Sie erreichten den Treppenabsatz, und er hielt inne und sah sich um, als überlege er, in welche Richtung er gehen sollte. Holly blickte hinter sich, denn sie wusste, dass irgendwo da unten eine Menge Leute waren, aber sie konnte überhaupt nichts davon sehen oder hören. Einen kurzen Moment lang versuchte sie, sich aus diesem Zustand loszureißen. Als ob Jer ihre Absicht spürte, drückte er ihre Hand und strich dann mit dem Daumen über ihre Haut. Die Berührung fühlte sich unerklärlich erotisch an, und Holly hätte beinahe laut nach Luft geschnappt.
Er ging einen Flur voll wirbelndem Nebel
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