Hexenkuss
vorbeikamen? Es war demütigend. Dazu noch die Übelkeit erregenden Gerüche von zu viel Desinfektionsmittel, Chlorreiniger und Latex und das endlose Gequake der Durchsagen aus den Lautsprechern - Holly hätte schreien mögen. Ununterbrochen. »Ich kann es kaum erwarten, endlich hier rauszukommen.«
Amanda nickte mitfühlend. »Ich kann Krankenhäuser auch nicht ausstehen.« Dann sagte sie eine Weile nichts, und Holly rutschte unbehaglich auf der Untersuchungsliege hin und her. War das vorhin wirklich sie gewesen, in einem Schlafzimmer in Tommys Haus? War sie wirklich beinahe mit einem Kerl ins Bett gefallen, den sie kaum kannte? Die ganze Episode kam ihr so seltsam vor, als hätte jemand anders sie erlebt - aber natürlich hatte sie einen Beweis für ihr eigenes unverständliches Verhalten, in Gestalt eines hübschen, scharfen Stichs, der ihren Arm etwa bei jedem dritten Pulsschlag durchfuhr.
Aber was hat mich so durch den Raum geschleudert? Amanda? Das zierliche Mädchen konnte unmöglich eine solche Kraft aufgebracht haben. Und was ist mit —
»Ich habe mir die Hand verbrannt«, sagte Amanda unvermittelt. Sie streckte die linke Hand aus, verzog das Gesicht und öffnete die Finger. »Siehst du?«
Holly starrte auf die Handfläche hinab und spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann. Dann schob sie mit dem rechten Arm die Schlinge so weit vor, dass Amanda die Verbrennung an Hollys linker Handfläche sehen konnte. »Schau«, sagte sie leise. »Ich habe da auch eine Brandwunde.«
Amanda blieb der Mund offen stehen. »Was? Lass mich mal sehen.« Sie begutachtete Hollys Hand und verdrehte dann ihre eigene so, dass sie sie neben Hollys festgeschnürte Hand halten konnte. »Wow - das sieht aus wie ein Muster, irgendeine Blume oder so.«
»Ja«, stimmte Holly zu. Sie musste das Kinn an die Brust pressen, um ihre Hand sehen zu können. »Was glaubst du, was das bedeutet?«
Holly blickte zu ihrer Cousine auf und merkte, dass diese sie anstarrte. Amanda antwortete: »Keine Ahnung.«
Holly sagte langsam: »Eine Ahnung habe ich schon...«
Kari schmollte auf dem ganzen Heimweg zu ihrem Apartment, wo Jer jetzt wohnte, nachdem er mit seiner Familie gebrochen hatte.
»Was hast du mit ihr gemacht?«, wollte sie wissen. »Du hast gesagt, wir müssten da hin, um sie zu warnen, und dann finde ich dich...« Sie kniff die Lippen zusammen und starrte aus dem Fenster. »Du hast sie geküsst, diese ...«
Jer wollte sagen: »Es tut mir leid.« Doch das stimmte nicht.
Holly.
Ihr Name tanzte auf seinen Lippen, in seinen Adern. Sie zu berühren, zu spüren, wie sie sich unter ihm bewegte, zu wissen, dass sie ihn wollte...
Aber es geht dabei nicht nur um uns. Es hat etwas damit zu tun, was mein Vater und mein Bruder treiben.
Sie sind Hexen. Ich habe es gespürt. Ich habe es gewusst. Und diese Visionen, die ich hatte - zwischen ihrer Familie und meiner besteht eine Verbindung. Ich habe genug gesehen, genug erfahren ...
Wir haben ein gemeinsames Erbe. Wir sollten eine neue Dynastie gründen, aber unsere Eltern haben uns verraten... und dann hat Isabeau Jean verraten ...
Und jetzt wandelt sie auf Erden, bis sie ihn wieder töten kann ...
Aber warum? Aus welchem Grund?
Kialish und Eddie saßen schweigend auf dem Rücksitz von Karis VW Beetle und respektierten die künstliche Blase, die ein streitendes Pärchen in der Öffentlichkeit umgibt. Kialishs Auto hatten sie bei Karis Wohnung stehen lassen.
Als sie dort ankamen, verabschiedeten sie sich leise und gingen. Kari schrie immer noch Jer an.
Und er ließ es zu, nur damit er sich nicht mit ihr befassen musste. Im Geiste war er bei Holly Cathers.
Mit Geist, Seele und Körper...
Holly lag im Bett, benebelt von Schmerzmitteln, und erinnerte sich an jede Berührung, jeden Kuss von Jer.
Mit Geist, Seele und Körper...
Was ist passiert? Warum ist er zu mir gekommen und hat all diese Sachen mit mir gemacht?
Bast berührte ihre Stirn, ihre Wange und ließ sich dann neben Hollys Gesicht nieder, um ihrer Herrin lang und fest in die Augen zu starren. Holly erwiderte den Blick, und plötzlich fiel sie...
… in die Arme von Jean de Deveraux, der sie in der Hochzeitsnacht zu ihrem Ehebett trug und raunte: »Je t'aime, je t'adore, Isabeau. Du Hexe, du hast mich verzaubert.«
Er legte sie ganz sacht nieder und murmelte: »Lass mich einen Sohn mit dir zeugen. Lass mich das Haus vereinen.«
Sie breitete die Arme aus, um ihn zu empfangen, ihren wilden, gefährlichen, verfluchten
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