Hexenlicht
verschränkte seine Arme. »Die Vampire auch nicht.«
»Aber warum sollten sie überhaupt mit alldem zu tun haben?«, fragte Holly.
»Vampirpolitik«, antwortete Alessandro. »Früher gab es Revierkämpfe zwischen ihnen und uns, und sie steckten eine schmerzliche Niederlage ein. Deshalb gibt es heute nur noch so wenige von ihnen. Ich dachte sogar, sie wären vollständig ausgestorben.«
»Sie könnten dem Dämon dienen«, überlegte Holly laut. »Vielleicht sind sie auf einem Rachefeldzug.«
»Kann sein«, bestätigte Alessandro.
Alle drei schwiegen, so dass für eine Weile nur das Ticken der Zeitschaltuhr in der Küche zu hören war.
Alessandro lehnte sich weiter zurück. »Diese Puzzleteile passen gut genug zusammen, um wenigstens einiges von dem zu erklären, was geschehen ist. Aber sie verraten uns immer noch nicht, wer hinter allem steckt, und derjenige hatte gestern Abend Erfolg. Er hat seinen Dämon bekommen.«
»Was will er oder wollen sie mit ihm anfangen?«, fragte Macmillan. »Und vor allem: Wie können wir weitere Morde verhindern?«
»Ich habe in einem der Bücher meiner Großmutter nachgelesen«, begann Holly. »Darin steht, dass man versuchen muss, den Namen des Dämons herauszufinden. So wird man ihn zwar noch nicht los, aber mit dem Namen kommt man ihm näher und kann ihn folglich eher kontrollieren.«
»So, wie wenn man das Strafregister kennt? Weil man dann weiß, wozu er fähig ist?«, hakte Macmillan nach.
»Mehr als das. Namen haben eine magische Bedeutung«, erklärte Alessandro und wandte sich an Holly. »Gibt es eine Möglichkeit, die Identität des Dämons mit Hexenmagie herauszubekommen? Oder die des Mörders?«
Holly zupfte nervös ihren Rock weiter über ihre Knie und hielt den Atem an, doch das half nicht gegen das mulmige Gefühl in ihrem Bauch. Sie hatte bereits eine Idee, die ihr allerdings gar nicht gefiel.
»Du hast ja schon die Totenbeschwörung erwähnt. Ich könnte die Toten auferwecken«, antwortete sie matt. Solange sie nur mit Grandma redete, war es leicht, mutig und entschlossen zu sein. Hier und jetzt hingegen musste sie sich wirklich zu etwas verpflichten, und prompt dröhnte ihr der Schädel. »Wir müssen das Grab von jemandem ausfindig machen, der zwischen den Welten wandert, einem rastlosen Geist. Ihn könnte ich wecken und befragen.«
Alessandro schüttelte fasziniert den Kopf. »Eine exzellente Idee! Ich hätte den Vorschlag selbst gemacht, aber ich hatte Angst, dass dich die Energie, die du für eine Totenbeschwörung brauchst, zu viel kosten würde und du womöglich ernsthaft zu Schaden kommst.«
Holly zuckte mit den Schultern. Sie mochte sich hundeelend fühlen, aber sie ruderte ganz sicher nicht wieder zurück. Stattdessen stürzte sie ihren restlichen Wein hinunter und stellte das Glas ein bisschen zu fest auf dem Tisch ab. »Auch wenn ich es nicht unbedingt gern tue, war dieser Dämon in meinem Haus und bedrohte mein Leben. Er muss verschwinden. Und ich werde alles unternehmen, was dazu nötig ist.«
Die Männer tauschten unsichere Blicke. »Ich weiß ja nicht, was hier gerade das Problem ist«, meldete Macmillan sich zu Wort, »aber ich helfe Ihnen, so gut ich kann.«
Alessandro hockte nur mit finsterer Miene da.
»Na gut«, sagte Holly leise, die einen eisigen Knoten im Bauch hatte. In diesem Moment bimmelte die Zeitschaltuhr nebenan los, was sich in Hollys schmerzendem Kopf wie eine zu schrille, zu laute Glocke ausnahm. Der Detective lief in die Küche, um nach dem Essen zu sehen.
Nun lehnte Alessandro sich vor und sah Holly an. »Mir gefällt das nicht, egal, wie nützlich Totenbeschwörung sein mag. Nicht dass ich deine Entscheidung in Frage stellen will, doch solltest du es dir irgendwann anders überlegen, sag es einfach, ja?«
»Ich kann nicht. Es steht zu viel auf dem Spiel, mein Leben eingeschlossen.«
»Welches sind die Risiken?«
»Tja, es handelt sich eben um Magie für Große.«
»Und ich gehe recht in der Annahme, dass sie weh tut?«
»Ja.« Holly seufzte. »Und manchmal ist sie einfach bloß ekelhaft.«
Sie goss sich Wein nach, denn bei der Aussicht, Tote aufzuwecken, rumorte es in ihr. Das war Stoff für die ganz oberste Liga, die Meister.
Was mache ich denn?
Alessandros Handy klingelte – eine blecherne Version von Beethovens Fünfter. Er verzog das Gesicht, stand auf und küsste Holly aufs Haar. »Wie der Detective sagte: Wir helfen dir, so gut wir können. Egal, was du brauchst.«
Dann klappte er sein Telefon auf.
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