Hexennacht
einem Blick zum Sprechen auf. »Die Beysa wird sich euer Vorhaben durch den Kopf gehen lassen und sich mit Prinz Kadakithis besprechen, ehe sie eine Entscheidung trifft. Kommt morgen wieder, um sie zu erfahren.«
Monkel blickte seine Beysa mit glasigen Augen an. Es schockierte ihn, daß ein Fremder für die irdische Verkörperung der Mutter Bey sprach. Doch sie nickte und entließ die Gruppe mit unmißverständlicher Geste. »Habt Dank, o Kaiserin«, stammelte er rasch, verbeugte sich und ging mit den anderen rückwärts zur Tür.
Als Shupansea nach einer Weile auch alle anderen Höflinge außer ihm entlassen hatte, bedeutete sie Hakiem, sich auf eine Ecke des Diwans zu ihr zu setzen. »Sagt mir, o Weiser, was haltet Ihr von dieser Entschlossenheit des Setmurs, ein neues Boot zu bauen?«
Der Geschichtenerzähler ließ sich schwer in die Kissen sinken. Alle Förmlichkeit war vergessen, wie üblich, wenn sie allein waren. »In meinem Alter lernt man den Wert der Zeit zu schätzen. Es ist einer der wenigen Vorteile, die einer Kaiserin vergönnt sind, daß sie sich für ihre Entscheidungen Zeit lassen darf. Kurz gesagt, ich befürchtete, Ihr würdet in Eurer Eile festzustellen, ob das Boot zum Fischen wirklich benötigt wird, nicht auf die größeren Probleme achten, die damit verbunden sind.«
»Ihr sprecht in Rätseln«, rügte die Beysa. »Wir waren immer offen zueinander. Ist dieses Boot wirklich erforderlich?«
»Das weiß ich nicht, aber ich glaube, ich würde mich auf die Meinung der Fischer verlassen. Ich finde, daß dieses Boot gebaut werden sollte, ob es nun benötigt wird oder nicht, wenn Ihr anfangen wollt, Eure größeren Probleme zu lösen.«
»Zum zweiten Mal weist Ihr auf größere Probleme hin! Nach einem anstrengenden Tag mit Unseren Höflingen und Untertanen fehlt Uns die Geduld für Rätsel.«
Hakiem stand auf und begann hin und her zu gehen. »Das größte Problem sind die Reibereien zwischen unseren Völkern. Es wird zuviel gehaßt und zuviel getötet. Von Tag zu Tag wird es schlimmer statt besser. Wenn wir miteinander in Freistatt leben wollen, ohne die Stadt und uns selbst zu zerstören, muß Friede zwischen uns herrschen, und dieser Friede muß irgendwo beginnen!«
Shupansea lehnte sich zurück und blickte ihn durchdringend an; ihre Augen wirkten alt, viel älter als sie waren. Einen Moment war sie wieder die Beysar, der Avatar der Göttin Bey, und nicht eine junge Frau. »Wir erwarteten nicht, mit Girlanden und Festzügen aufgenommen zu werden«, sagte sie müde. »Die Setmur haben ein Sprichwort: >Neue Fische werden mit Blut bezahlt<. Wir wußten, daß Schwierigkeiten, ja Tod uns erwarteten, wo immer wir uns niederließen. Beysiber ändern sich nur langsam, und noch langsamer finden sie sich mit unerwünschten Veränderungen ab. Deshalb zögerten Wir auch mit Vergeltungsmaßnahmen, wenn Unsere Leute niedergemetzelt wurden. Wir hatten gehofft, Gold würde genügen, doch wenn sie unser Blut wollen, so sei es denn - dann wird auch ihres fließen!«
Hakiem räusperte sich und spuckte auf den gewachsten Boden. Die Beysa drohte nicht oft - und auch nicht geschickt. »Auch wir haben ein Sprichwort«, entgegnete er. »>Bezahl nie den verlangten Preis, auch wenn du ihn dir leisten kannst<. Verschließt Euch nicht dem ersten positiven Zeichen, das Euch hier zuteil ward. Habt Ihr Euch diese Abordnung nicht angesehen? Beysiber, Ilsiger und Rankaner planen ein gemeinsames Vorhaben, das nichts mit Blutvergießen zu tun hat! Was spielt es da schon für eine Rolle, ob das Boot nötig ist oder nicht!
Gestattet ihnen den Bau!«
Der wohlgeformte Busen hob sich in einem Seufzen. »Ah, Wir sehen, was Ihr meint. Ja, das Boot soll gebaut werden, egal, ob es gebraucht wird und was es kostet!«
»Unsinn!« Hakiem schmunzelte. »»Bezahl nie den verlangten Preis! < Fordert einen Kostenvoranschlag und genaue Abrechnung von ihnen. Stellt jede Planke und jeden Nagel in Frage! Sie werden Euch trotzdem übers Ohr hauen, aber es wäre nicht gut, wenn sie glaubten, Geld sei für Euch unwichtig, denn für sie ist es sehr wichtig. Aber Ihr solltet das Ganze wirklich mit dem Prinzen besprechen.«
»Warum?« Ihre Frage klang ehrlich und schmerzte Hakiem nur um so mehr.
»Holz ist rar in Freistatt, und der Bau eines neuen Bootes kostet viele Bäume. Seit Generationen ist der Statthalter der Schutzherr unseres kleinen Waldes. Wenn Ihr wahrhaftig Kadakithis’ Stellung als Statthalter anerkennt, muß er den Erlaß zum
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