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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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offensichtlich
sehr attraktiven Person angeht.« Er schmunzelte, als Arved rot
wurde.
    Hatte er so viel verraten? »Sie ist attraktiv, aber ich habe
nicht…«, begann er und richtete sich im Sessel auf.
    »… im Traum daran gedacht, sie ins Bett zu
bekommen«, beendete Thomas den Satz lachend für ihn. Dann
packte ihn ein Hustenanfall. Mit zitternden Fingern holte er ein
Taschentuch aus der fleckigen Cordhose und hielt es sich vor den
Mund. Arved konnte den Auswurf durch die hellen Fasern deutlich
sehen.
    Als der Anfall vorüber war, stand Thomas unbeholfen auf und
taumelte aus dem Zimmer. Arved hörte kurz darauf irgendwo im
Haus Wasser rauschen. Er wünschte, er wäre nicht
hergekommen. Der arme Thomas konnte ihm keine Hilfe sein. Aber
vielleicht konnte er Thomas helfen?
    Als der Psychiater zurückkam, schaute er Arved mit
erloschenem Blick an. Arved hatte plötzlich das Gefühl, als
erwürge ihn der Kragen seines weißen Hemdes. Er versuchte
den Knoten der dunklen Krawatte zu lösen, aber es gelang ihm
nicht; er quetschte sich nur die Finger.
    Thomas sah seinen Bemühungen mit matter Belustigung zu.
»Manchmal bekommt man nicht das Erhoffte«, meinte er leise.
»Und manchmal bekommt man dafür etwas ganz
anderes.«
    »Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte Arved mit
belegter Stimme, nachdem er den Versuch aufgegeben hatte, sich mehr
Luft zu verschaffen.
    »Höchstens, indem du mich von mir selbst ablenkst.«
Das trübe Lächeln schwappte wie Brackwasser auf Arved
zu.
    »Was hältst du von meiner Geschichte?«, fragte
Arved schließlich. Er kam sich unsäglich egoistisch
vor.
    »Sie erinnert mich an die Erzählungen und Romane eines
bestimmten Phantastik-Schriftstellers, die ich einmal in die Finger
bekommen habe – kaum nachvollziehbar, dabei aber visionär
und ein interessantes Bild von seiner kranken Psyche abgebend.
Offensichtlich hat es hier mehrere Personen mit sehr
merkwürdigen Wahrnehmungen gegeben. Was du von dem leeren Sarg
erzählst, klingt allerdings wirklich bedenklich. Bist du sicher,
dass der Bestattungsunternehmer ihn ebenfalls gesehen hat?«
    Arved nickte. Und zuckte zusammen. Irgendwo, vielleicht in diesem
Zimmer, vielleicht im angrenzenden Flur, raschelte etwas. Thomas
bekam einen gehetzten Blick. Es war vorüber; alles war wieder
still. So unendlich still. Wie im Herzen eines schwarzen Loches,
dachte Arved.
    Der Psychiater fuhr fort: »Außerdem ist es
bemerkenswert, dass Jürgen Meisen – so war doch sein Name?
– in einem verplombten Sarg transportiert wurde. Das ist
unüblich. Noch unüblicher ist es, dass man der Witwe selbst
auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin nicht erlaubt hat, ihren
Mann noch einmal zu sehen. Das ist seelische Grausamkeit, für
die ein sehr guter Grund vorgelegen haben muss. Ich kenne einige
Ärzte aus dem Wittlicher Krankenhaus und es sind allesamt gute
und verantwortungsbewusste Mediziner.« Er warf einen Blick aus
dem Fenster. Draußen war das Blau des Himmels zu sehen,
durchzogen von einigen Wolken, darunter eine Birke, die mit ihren
blassen, kleinen Blättern den Äther zu berühren
schien. Thomas schaute hinaus, versonnen, weit weg, außerhalb
seiner selbst. Als er den Blick wieder auf das Wohnzimmer richtete,
erhob er sich plötzlich und sagte mit fester, wie aus
früheren Zeiten hergeholter Stimme: »Lass uns etwas essen
gehen. Ich bin so hungrig.« Er verließ das Zimmer, ohne
sich weiter um seinen Besuch zu kümmern.
    Arved lief hinter ihm her, aus dem Haus, den Hang hinunter, bis
sie zur Wittlicher Straße kamen, dann nach links bis zum
Kreisverkehr, dem Ceresplatz, und hinein in das Herz des
Örtchens, in dem Wandertouristen und Holländer mit
Fotoapparaten den Anschein eines normalen, gewöhnlichen,
unauffälligen Tages erweckten. Thomas lief an einem Restaurant
mit dem Namen Bauernstuben vorbei, von dem Arved hoffte, es
sei ihr Ziel, denn es wirkte überaus einladend, doch der
Psychiater eilte mit weit ausladenden Schritten voran. Von dem einen
oder anderen wurde er gegrüßt, aber er grüßte
nicht zurück. Vorbei am Schlecker, am Blumenladen, rechts
hinein in die so genannte Kurpassage. Dann standen sie vor dem Ziel
der plötzlichen Reise.
    Eifel-Döner hieß das Ziel.
    Thomas stürmte hinein, wechselte mit dem jungen Türken
hinter dem Tresen ein paar Worte und meinte zu Arved: »Das
Lahmacun mit Döner-Fleisch ist hier einfach ausgezeichnet. Nimm
es und trink ein Uludag dazu.«
    »Ein – was?«, fragte Arved, der sich kurz in dem
kleinen Imbiss

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