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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Sie wackelte
nicht, war so fest wie die anderen. Fragend schaute er Arved an.
    »Vielleicht ist es eine Falltür«, mutmaßte
Arved aufgeregt. »Wir müssen versuchen, sie zu
öffnen.«
    »Warum? Glaubst du, dass sich darunter dein Rebstock
befindet?«, fragte Thomas leicht spöttisch und
verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
    Arved gab ihm keine Antwort. Schon hockte er neben der Steinplatte
und versuchte die Finger in die tiefen Fugen zu stecken. Es gelang
ihm nicht. Er sprang auf, lief nach draußen in den Wald und
suchte nach einem passenden Werkzeug. Er fand einen Zweig, hob ihn
auf, eilte wieder in die verfallene Hütte und steckte ihn in die
Fuge. Er passte zwar und ließ sich recht tief einführen,
aber als Arved ihn wie einen Hebel benutzen wollte, brach er ab.
    »Immerhin wissen wir jetzt, dass sich hier drunter ein
Hohlraum befindet«, sagte er triumphierend.
    »Vielleicht ein Erdloch oder eine kleine Grotte oder einfach
nur der Keller«, meinte Thomas skeptisch. Er machte keine
Anstalten, seinem Freund zu helfen.
    Arved lief wieder nach draußen, aber er fand keinen
geeigneteren Stock. Am besten wäre natürlich eine
Eisenstange. Da kam ihm eine Idee. Er hastete zurück zum Eingang
der Hütte und rief Thomas zu: »Bin gleich zurück. Ich
hole nur etwas aus dem Wagen.«
    Bevor der Psychiater etwas erwidern konnte, war Arved bereits auf
dem Weg durch das Unterholz. Bestimmt lag ein Wagenheber im
Kofferraum, den er als Hebel einsetzen konnte.
    Er lief auf die helle Stelle zu, an der er den Wanderweg
vermutete.
    Als er sie erreicht hatte, musste er allerdings feststellen, dass
er sich auf einer Lichtung mitten im Wald befand. Der Weg war
nirgendwo zu sehen. Das Haus ebenfalls nicht. Sein
Orientierungsvermögen war nie besonders gut gewesen, aber dass
es ihn in der letzten Zeit derart im Stich ließ, beunruhigte
ihn doch sehr.
    Die Lichtung war wie ein Auge in den Himmel. Es ging kein Wind.
Hier sang kein Vogel. Die Stille lastete wie eine Drohung über
dem hohen Gras. Nichts regte sich.
    Schwarze Klumpen hingen wie geronnene Träume in den
Bäumen. Arved blinzelte. Was war das? Von der Stelle aus, wo er
stand, erkannte er sechs dieser Klumpen. Einer regte sich
plötzlich. Flügel schlugen und fachten Wind an.
    Eulen.
    Tagsüber?
    Arved ging an eine der Eulen heran. Sie wich nicht, blieb einfach
sitzen und glotzte ihn aus schwefeligen Augen an.
    Ein leises Säuseln lag in der Luft. Die Sonne verdunkelte
sich, obwohl über der Lichtung keine Wolke zu sehen war. Das
Säuseln wurde stärker. Es schien seinen Ursprung in einem
der Bäume zu haben. In einem der Bäume, in denen die Eulen
saßen.
    »… mir…«
    Arved stockte der Atem. Es war eine weibliche Stimme. Sie schien
geradewegs aus dem Baum zu kommen, vor dem er stand. Die Eule oben in
der Astgabel hielt den Kopf schräg, als lausche sie
ebenfalls.
    »… hilf mir… bitte…«
    Was war das in dem Baumstamm? Es sah aus wie eine
Unförmigkeit, ein Auswuchs. Arved rieb sich die Augen.
    Es war ein Gesicht. Ein Gesicht aus Borke und Moos. Es verzog sich
leicht, wenn es die Worte aussprach.
    »… mich hier heraus…«
    Magdalena. Es gab keinen Zweifel. Die Stimme, die hohen
Wangenknochen, selbst das kurze Haar war in dem Stamm angedeutet.
Arved drückte sich gegen den Baum und fuhr mit den Händen
an der Rinde auf und ab. Er glaubte sogar die Rundungen ihres
Körper zu spüren und ließ das Holz sofort wieder
los.
    »… komm her und rette mich…«
    Ein Windhauch ging durch die Blätter in den Baumkronen.
    »Ich… ich werde alles tun, um dich zu retten«,
stammelte Arved. Die Eule schaute ihn an. Funkelte ihn an. Er wich
vor dem Baum zurück. Lief hinein in den Wald. Fand den Weg, ohne
ihn gesucht zu haben. Fand den Parkplatz, ohne auch nur im Geringsten
auf den Weg geachtet zu haben. Er öffnete den Kofferraum und die
Bodenabdeckung und entdeckte sowohl einen Wagenheber als auch eine
Verlängerungsstange, die kaum dicker als sein kleiner Finger
war. Er packte beides, schlug den Deckel wieder zu und hastete
zurück. Den Weg entlang, die rechte Abzweigung, hinter den
Ranken nach rechts in den Wald. Er stürmte in die Hütte.
»Ich habe sie gesehen. Das war keine Vision! Du
musst…«
    Thomas war verschwunden.
    Arved ließ sein Werkzeug fallen. Es polterte scheppernd auf
die Steinfliesen. Sofort rannte er wieder hinaus. »Thomas!
Thomas?«, rief er und rannte ziellos in dem stillen,
nachmittäglichen Wald umher. Bildete er es sich ein, oder wurden
die

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