Hexennacht
dich zu sein, und zweitens bist du als frisch suspendierter
Priester, der zumindest mir gegenüber das Zölibat immer
vehement verteidigt hat, noch nicht in der Lage, eine Beziehung
einzugehen. Für mich hat es den Anschein, dass deine Hormone
eine große Rolle in diesem Spiel haben.«
Stimmt das?, fragte sich Arved. Zugegeben, Magdalena war eine
hübsche Frau, aber er kannte sie doch kaum. Nein, da war Thomas
auf dem Holzweg. Das Zölibat galt für ihn immer noch, und
aufgrund seiner Priesterweihe würde es auch bis zum Ende seines
Lebens gelten.
Aber warum sollst du dich daran halten, durchfuhr es ihn, wo es
doch nur von Menschen für Menschen eingerichtet wurde? Warum
solltest du dich an Regeln halten, deren Fadenscheinigkeit und
Willkürlichkeit du erkannt hast? Die ganze Welt steht dir offen
– auch die Welt der Liebe.
Aber nicht mit Magdalena Meisen.
»Wir drehen uns im Kreis«, sagte Arved. »Was
rätst du mir?«
Thomas räusperte sich. Dann kam ein Hustenanfall. Thomas
quälte sich nach vorn und Auswurf tropfte ihm in den
Schoß. Unter seinem grauen Stoppelbart wurde er rot. Er fischte
ein schmutziges Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich
damit den Schleim ab. Arved sah, dass er rötlich glänzte.
Es zerriss ihm fast das Herz.
Als Thomas wieder Luft bekam und sich ein wenig erholt hatte,
sagte er: »Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder du siehst
ein, dass das meiste nur deiner Phantasie entsprungen
ist…«
»Aber da sind der Raum unter der Hütte und diese
magischen Geräte«, warf Arved beinahe wütend ein.
»… nur deiner Phantasie entsprungen ist«,
wiederholte Thomas ungerührt und faltete die Hände
über dem, was früher einmal sein Bauch gewesen war,
»auch wenn ich zugeben muss, dass gewisse Dinge zumindest auf
ein magisches Ritual hindeuten. Ein magisches Ritual allerdings
bedeutet natürlich noch lange nicht, dass tatsächlich etwas
Übernatürliches im Spiel ist. Oder du glaubst allen
Ernstes, dass es die Welt des Überwirklichen gibt und sowohl
Jürgen Meisen als auch deine so verehrte Magdalena in sie
hinübergegangen sind. Falls du zu deinen alten
Glaubensvorstellungen zurückkehren solltest, würde das
bedeuten, dass die beiden im Jenseits sind, wie immer man sich das
vorstellen soll. Zwar hat Jesus angeblich einmal einen Toten zum
Leben erweckt, aber soweit ich weiß, ist das ein Einzelfall
geblieben, und du solltest nicht versuchen, es ihm gleichzutun. Lass
die Toten ruhen, Arved.«
»Willst du damit sagen, dass auch Magdalena gestorben ist?
Ich habe doch noch mit ihr geredet, habe sie zum Essen eingeladen,
habe…«
»Arved!« Ein neuer Hustenanfall. Schlimmer diesmal. Als
sich Thomas wieder gefangen hatte, fuhr er fort: »Ich will nicht
allzu tief in deine Psyche eindringen, aber es hat schon Fälle
gegeben, in denen Patienten sich geweigert haben, den Tod eines
geliebten Menschen zu akzeptieren.«
»Heißt das, du glaubst, ich bin verrückt?«
Arved spürte, wie Wut in ihm hochstieg. Wut auf diesen
sterbenskranken Mann, der ihn als Wahnsinnigen abstempeln wollte. War
das Freundschaft?
Thomas streckte matt die Hände aus. »Nein, keineswegs.
Ich will dir nur sagen, dass es viele Erklärungen für das
geben kann, was du erlebt hast.«
»Gut. Nun hast du mir deine Meinung als rationaler Psychiater
dargelegt. Am liebsten würde ich auch noch eine Meinung der
Gegenseite hören.«
»Die Meinung eines Dämonologen? Da müsste es in
deiner Kirche doch genügend Autoritäten geben.«
Arved verzog den Mund. »Ich bin aus meiner Kirche so gut wie
ausgeschlossen. Ich bin jetzt ein Paria. Kennst du niemanden, der mir
weiterhelfen könnte?«
Thomas ließ die Hände wieder sinken. »Ich kenne da
zwar jemanden, aber ich bezweifle, dass sie dir helfen kann. Ich habe
ihr einige meiner Kunden zu verdanken, allerdings befürchte ich,
sie wird dich auf ihre Art in deinem Irrglauben bestärken. Der
Umgang mit ihr ist nur psychisch gefestigten Personen zu
empfehlen.«
»Und ich bin in deinen Augen keine solche!«, brauste
Arved auf und erhob sich ruckartig. »Ich gehe jetzt. Es tut mir
Leid, dass ich dich gestört habe. Ich werde mir meine Hilfe
schon allein holen. Auf Wiedersehen – und alles Gute.
Bemühe dich nicht, ich finde schon allein den Weg hinaus. Ich
muss ja nur dem Geruch der frischen Luft folgen.«
Als er das Zimmer verließ, hörte er noch, wie Thomas
leise hinter ihm hersagte: »Lioba Heiligmann. Sie wohnt in
Trier.«
Im nächsten Augenblick stand Arved auf der
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