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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Schatten bereits erheblich länger? Lag schon die
Dämmerung über den Bäumen?
    »Thomas!«
    Schweigen. Der Wald fraß sein Rufen. Arved umkreiste die
Hütte in immer größerem Radius. Schließlich
kehrte er in das verfallene Gebäude zurück. Es war immer
noch leer. Er fühlte sich schrecklich verlassen. Noch einmal
rief er aus vollem Hals nach seinem Freund. Blätterrauschen
antwortete ihm.
    Und ein leises Klopfen.
    Verblüfft sprang Arved einige Schritte zurück. Er hatte
den Eindruck gehabt, als wäre das Klopfen von direkt unter ihm
gekommen. Von der Platte mit den breiten und tiefen Fugen. Er kniete
sich hin. »Thomas?«
    Erneutes Klopfen.
    In fieberhafter Hast packte Arved die Stange und setzte sie in
einer der Fugen an. Mit aller Kraft drückte er gegen sie. Die
Platte bewegte sich keinen Millimeter. Inzwischen hatte das Klopfen
aufgehört. War auch das nur wieder eine Vision gewesen, eine
Halluzination? Er arbeitete weiter, aber es war umsonst. Wütend
stampfte er auf den Boden.
    Da öffnete sich die Riese; wie eine Falltür oder ein
hungriger Mund glitt sie hoch. Arved ging wieder auf die Knie und
spähte hinunter. In der Finsternis sah er einen kaum mannshohen
Raum, dessen Wände sich in der Schwärze auflösten.
    Und unmittelbar unter der Falltür stand Thomas. In seinem
Blick lag Angst.

 
12. Kapitel
     
     
    »Leg die Eisenstange quer über die Öffnung, sonst
fällt die Klappe wieder zu und schließt uns beide
ein!«, warnte Thomas mit tonloser Stimme. Arved gehorchte sofort
und stieg dann die steile Holzleiter hinunter in den Unterleib des
Hauses. In der Tat schloss sich die Klappe wieder hinter ihm und
schlug schwer gegen die Eisenstange. Durch den verbliebenen Spalt
drang ein wenig Nachmittagslicht in den fensterlosen Raum.
    »Was ist denn das?«, fragte Arved erstaunt, als sich
seine Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten.
    Ein roh behauener Stein stand in der Mitte des Raumes, dessen
Wände aus dem Fels geschlagen waren, über dem an dieser
Stelle des Waldes offenbar nur eine sehr dünne Erdschicht lag.
Auf dem Stein, der Arved sofort an einen Altar erinnerte, standen
Leuchter mit schwarzen Kerzen. Zwischen ihnen lag ein geköpfter
Hahn, dessen Blut den Stein dunkel gefärbt hatte. Arved drehte
es den Magen um und er würgte. Neben dem Altar lehnten
Dreifüße gegen die Wand und Räuchergefäße
lagen auf dem Boden. Arved schnupperte an einem. Es duftete schwach
nach Weihrauch. Er erinnerte sich daran, dass Magdalena Meisen etwas
von Weihrauchgeruch gesagt hatte.
    In einer Ecke stand eine Truhe. Thomas sah sie im selben
Augenblick wie Arved. Zusammen gingen sie darauf zu und öffneten
sie; sie hatte nicht einmal ein Schloss. Darin lagen weiße
Gewänder, die seltsame, rostrote Flecken aufwiesen,
überdies ein Stab, in den grobe, in der schlechten Beleuchtung
nicht entzifferbare Zeichen eingraviert waren, sowie weitere Schalen,
zwei Ziborien mit schwarzen Hostien und zwei Kelche mit dunklen
Rückständen darin. Angeekelt legte Arved die Sachen rasch
wieder zurück. »Was ist das?«, fragte er
verständnislos.
    »Schwarze Messen«, murmelte Thomas. »Ich
fürchte, an der ganzen Sache ist doch etwas dran.«
    »Ich hatte wieder eine Vision.«
    »Was? Jetzt? In diesem Augenblick?«
    »Nein, vorhin.« Arved erzählte seinem Freund von
der Lichtung, den sechs Eulen und der im Stamm eines Baumes
eingeschlossenen Magdalena. »Sie hat mich angefleht, ihr zu
helfen«, schloss Arved. »Aber wie? Ich verstehe das Ganze
nicht. Ich verstehe gar nichts mehr.«
    In der hintersten Ecke des aus dem Fels gehauenen Raumes
entdeckten sie schließlich vertrocknetes Weinlaub. Thomas hob
es auf und hielt es sich unter die Nase. Er verzog die Lippen vor
Abscheu und ließ das Laub wieder fallen. »Rühre es
nicht an«, warnte er Arved. »Komm, lass uns gehen. Es
reicht.« Er kletterte einige Stufen der Leiter hoch und
drückte mit der Schulter gegen die einen Spaltbreit offen
stehende Falltür. Sie gab nicht nach. »Versuch du es. Ich
bin zu schwach dafür.«
    Arved hatte mehr Glück. Er presste die Schulter gegen den
Stein, und schließlich gelang es ihm, die Fliese ganz nach
hinten zu schieben. Rasch schlüpfte er durch das Loch im Boden
und zog seinen Freund nach. Er nahm die Eisenstange an sich und gab
der Platte einen kleinen Schubs. Sie fiel mit einem lauten Knall und
einem unterirdischen Hall zu. Schweigend gingen sie nach
draußen in den Wald, den bereits die Schatten des herannahenden
Abends durcheilten.
    Arved

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