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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Versatzstücke aus
allen möglich Religionen nahmen und daraus ihr eigenes
Süppchen kochten – ein unverdauliches Süppchen. Oder
war sie eine moderne Hexe? Ihm kamen wieder die seltsamen
Gerätschaften im Keller des Waldhauses in Erinnerung. Sollte er
sich darauf einlassen?
    Die Katzen trollten sich; er war allein. Beinahe war er traurig
darüber. Ob sie ihn doch mochten?
    »Es wird Zeit. Bald ist sie nicht mehr zu retten.«
    Arved fuhr im Bett zusammen. Hatte er diese Worte ausgesprochen?
Er schaute sich um. Das Gewebe der Nacht schwebte raschelnd im Raum.
Laternenlichtstäbe lagen über dem Boden, über dem
Fußende des Bettes, über der Kommode. Reglos, wie aus
weißem Holz. Nirgendwo der Ursprung einer Stimme. Arved stand
auf, ging nach nebenan, in das Zimmer mit den Reliquien, und
versuchte die wenigen Stunden bis zum Tagesanbruch im Gebet zu
verbringen.
    Vergeblich.

 
14. Kapitel
     
     
    Die Krahnenstraße 37 b lag gegenüber einem
Seitenflügel des großen Krankenhauses, das die
Borromäerinnen in Trier führten und das gemeinhin nur als
»Mutterhaus« bezeichnet wurde. Arved erinnerte sich, dass
er schon einmal in dieser Straße gewesen war, vor einigen
Jahren, als er einen Arbeitsbesuch im Annastift, dem Sozialdienst
katholischer Frauen, gemacht hatte. Schon damals waren ihm die beiden
Häuser in der ansonsten einheitlichen, alten Straße
aufgefallen, deren Architektur deutlich auf das achtzehnte
Jahrhundert verwies. Die beiden Nummern 37 a und b waren die
einzigen Giebelhäuser in der Reihe; alle anderen standen mit der
Traufe zur Straße. Einerseits glichen sie sich wie ein Ei dem
anderen: Bei beiden führten vier Stufen hoch zur Haustür,
neben der zwei Sprossenfenster auf die Straße blickten;
darüber verengte sich die Fassade bereits und ließ im
ersten Stock nur noch zwei Fenster zu, die etwas kleiner als die im
Erdgeschoss waren, und darüber steckte knapp unter dem Dach ein
winziges Bodenfenster. Während aber 37 a frisch renoviert
war, fiel bei 37 b der Putz ab und Efeu hatte seine kleinen Arme
überall in das Mauerwerk geschlagen. Der Kamin war schief und
bröckelig, die Fenster starrten blind in die Welt, die Farbe an
den Rahmen blätterte ab und die Haustür schien noch aus der
Zeit des Erstbezugs zu stammen. Natürlich war es dieses Haus und
nicht sein gepflegter Zwilling, in dem Lioba Heiligmann wohnte.
    Arved drückte auf den Klingelknopf und im Inneren des Hauses
ertönte ein helles Brummen, das an seinen Ohren kratzte. Etwas
polterte kurz und regelmäßig und dann wurde die Tür
geöffnet. Die Frau, die wie ein skurriles Bild im Rahmen stand,
beäugte ihn misstrauisch. Das Misstrauen war gegenseitig.
    »Was wollen Sie?«, fragte die vielleicht knapp
fünfzigjährige Frau mit einer dunklen, rauchigen Stimme,
die eher zu einem Mann gepasst hätte. Zum Teil war dafür
sicherlich das verantwortlich, was zwischen ihren schmalen, rot
geschminkten Lippen klemmte: ein Zigarillo, der kleine
Rauchwölkchen von sich gab. Sie nahm ihn nicht aus dem Mund, als
sie sagte: »Ich habe jetzt keine Zeit. Bitte melden Sie sich
telefonisch an.« Der Zigarillo tanzte dabei zwischen ihren
Lippen hin und her und glühte auf.
    Als sie schon die Tür vor Arved zuschlagen wollte, sagte
dieser rasch: »Thomas Hieronimi schickt mich. Es ist sehr
wichtig.«
    Lioba Heiligmann kniff die beinahe schwarzen Augen zusammen und
kratzte sich an Kopf. Die braunen, von breiten weißen
Strähnen durchzogenen Haare brachte das nicht durcheinander,
denn sie hatten schon vorher so ausgesehen, als sei Frau Heiligmann
gerade erst dem Nachtlager entstiegen. Auch ihr Kleid passte dazu.
Arved konnte nicht sagen, was Plisseefalten und was Knitterfalten
waren. Das Blumenmuster war irgendwann in den Fünfzigern einmal
modern gewesen, doch falls das Kleid wirklich ein Überbleibsel
dieser Zeit sein sollte, war es erstaunlich gut erhalten.
    »Thomas Hieronimi? Habe lange nichts mehr von ihm
gehört. Er geht nicht ans Telefon, und ich habe keine Lust,
hinaus in die Wildnis zu fahren, nur um ihn zu sehen. Wie geht es
ihm?«
    Schnell gewöhnte sich Arved an ihre dunkle Stimme, die fast
angenehm weich war. »Sehr schlecht«, sagte er.
    Besorgnis stahl sich in die dunklen Augen der Frau. Sie trat einen
Schritt beiseite und rieb sich die spitze Nase. »Kommen Sie
herein.« Sie wartete nicht ab, ob Arved ihrer Aufforderung
folgte, sondern drehte sich sofort um und ging durch den schmalen
Flur, an dessen linker Seite sich eine steile Treppe

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