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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Nadeln.
    »Bald ist sie nicht mehr zu retten«, hörte er die
Stimme der Bronzeengel aus seinem Traum. Er war dabei, sich vor
dieser Frau zum Narren zu machen. Aber Magdalena Meisen war es wert.
Er musste jede Möglichkeit ergreifen. Er schluckte und
berichtete dann von seinen Erlebnissen.
    Lioba Heiligmann schloss die Augen, nachdem sie einen weiteren
Schluck Wein genommen hatte. Sie öffnete sie erst wieder, als er
seinen Bericht beendet hatte. »Interessant«, sagte sie
nur.
    »Glauben Sie mir?«, fragte Arved.
    »Wie sollte ich das, wenn Sie nicht einmal sich selbst
glauben?«, gab Lioba Heiligmann zurück und massierte sich
die schmale, rot eingefärbte Unterlippe. Ein wenig von dem
Lippenstift blieb an ihren Fingern kleben; sie bemerkte es nicht.
»Immerhin ist Ihre Geschichte wirrer als alles, was ich bisher
gehört habe, und das will schon etwas heißen«, meinte
sie. »Ich frage mich aber immer noch, warum Sie hier
sind.«
    »Weil Thomas Sie mir empfohlen hat«, gab Arved ein wenig
gereizt zurück und trommelte mit den Fingern auf den wulstigen
ledernen Armlehnen.
    »Was soll ich für Sie tun, wenn Sie nicht an das
Jenseits, an Gott und den Teufel glauben?«, fragte Lioba
Heiligmann.
    »Glauben Sie denn an den Teufel, an die Hölle, die
Dämonen, die Unterwelt, an Gespenster und Wiedergänger, an
Vampire und Werwölfe?«
    »Das ist ja eine ganz schöne Liste«, lachte Lioba
Heiligmann. Ihre dunkle Stimme erfüllte den ganzen Raum und
hallte ein wenig von den gläsernen Fronten der
Büchervitrinen wider. »Wie kommen Sie darauf, dass ich an
all das glaube?«
    »Weil Sie offenbar Bücher darüber
verkaufen.«
    »Und Sie sind Priester und glauben nicht an Gott.«
    »Ich habe deswegen meinen Beruf aufgegeben!«
    »Eine dumme Entscheidung. Man ist inhaltlich nicht immer mit
dem einverstanden, was man tut, aber wenn es den Mann oder die Frau
ernährt, ist es in Ordnung.« Lioba Heiligmann nahm einen
Zigarillo aus der Packung neben dem Aschenbecher, zündete ihn
mit einem roten Einwegfeuerzeug an, das in der Schachtel gesteckt
hatte, und blies kleine Rauchwolken in die Luft. »Ich lache
über die Spinner, die bei mir Zauberbücher kaufen und dann
zu Hause den kleinen Do-it-yourself-Magier spielen wollen. Und ich
lebe gut von ihnen. Wenn allerdings Wissenschaftler bei mir solche
Bücher oder Werke über die Hexenverfolgung kaufen, um die
Geschichte des Okkulten aufzuarbeiten, bin ich ihnen immer gern
behilflich. Sie sehen, dass meine Einstellung von dem abhängt,
was man von mir will.« Sie zog an ihrem Zigarillo, als wolle sie
den Tabak wie durch einen Strohhalm aus ihm heraussaugen.
    »Aber wenn ein Spinner wie ich kommt, der eine Erfahrung
gemacht hat, die er nicht versteht, dann verkaufen Sie ihm irgendein
überteuertes Buch, das seinem Verständnis angeblich auf die
Sprünge hilft, und machen sich insgeheim über ihn lustig!
Sie glauben an gar nichts«, brauste Arved auf und erhob sich
abrupt. »Es war wohl kein guter Vorschlag von Thomas, mich mit
Ihnen in Verbindung zu setzen. Guten Tag!« Er wandte sich in
Richtung der Zimmertür.
    »Warten Sie!« Es war ein Befehl, dem Arved einfach nicht
zuwider handeln konnte. Er hörte, wie die Antiquarin hinter ihm
aufstand. Die Wanderschuhe polterten über das Parkett. Als Arved
den Blick senkte, sah er, dass es an vielen Stellen Striemen hatte
und abgeschabt war. »Sie sind wirklich niedlich, wenn Sie sich
aufregen.« Sie lächelte ihn an. »Ich will Ihnen etwas
zeigen. Kommen Sie mit.« Sie ging dicht an ihm vorbei und trat
in den engen Flur. Er roch ein zartes Parfüm, das nach Veilchen
duftete und so gar nicht zu dieser Frau zu passen schien. Mit
schweren Schritten lief sie die steile Treppe hoch. Arved folgte ihr
und keuchte bereits nach den ersten fünf Stufen.
    Im ersten Stock öffnete Lioba Heiligmann ihr Schlafzimmer.
Neben ihrem Messingbett, das tadellos gemacht war und leuchtend
weiße Laken hatte, stand eine große alte Holzfigur, die
die heilige Elisabeth darstellte, wie sie gerade einem kleinen
Bettler vor ihr einen Brotlaib reichte. Es war eine wunderbare
Arbeit, die Arved an die fließenden Linien eines Tilman
Riemenschneider erinnerte. Vor der Figur stand ein alter Betschemel
mit leicht zerschlissenem Stoff, auf dem sicher viele Knie
herumgerutscht waren. Etwa auch die von Lioba Heiligmann?
    Sie schien seine stumme Frage zu verstehen. »Ja, ich knie
jeden Morgen und jeden Abend vor der heiligen Elisabeth. Mit Ihrem
Gott kann ich nichts anfangen, auch

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