Hexennacht
nicht mit dem
überstrapazierten Jesus, aber Elisabeth von Thüringen war
eine wirklich starke Frau – eine, zu der man Zutrauen haben
kann. Sie ist ein großes Vorbild für mich.«
»Das freut mich«, sagte Arved etwas linkisch. Er wusste
nicht, wie er reagieren sollte. Diese Frau verblüffte ihn immer
mehr. »Sie war eine große Wohltäterin.«
»Und Sie würden jetzt gern wissen, ob ich das auch bin
oder ob meine Verehrung für die heilige Elisabeth nur
theoretischer Natur ist. Haben Sie das Mutterhaus gegenüber
gesehen?«
Arved nickte und schaute an Lioba vorbei aus dem Fenster. Der
moderne Komplex des Krankenhauses streckte seine Betonwände in
den Himmel, und rechts davon schlossen sich irgendwo, unsichtbar von
diesem Zimmer aus, die alten Konventsgebäude an.
Die Antiquarin fuhr fort: »Ich brauche nicht viel zum Leben.
Das Haus gehört mir, ich mache mir nicht viel aus gutem Essen
und brauche eigentlich nur meinen Wein und meine Zigarillos. Und
meine Kleider stammen, wie selbst Sie bestimmt schon vermutet haben,
aus der Spendenkammer der Caritas. Was soll ich also mit all dem Geld
machen, das ich den reichen Esoterikern aus der Tasche
leiere?«
»Neue Bücher für Ihr Geschäft kaufen«,
meinte Arved.
»Ja, das stimmt und das tue ich auch«, erwiderte sie.
»Aber ich habe ein Händchen für Schnäppchen, und
deshalb bleibt immer noch sehr viel übrig. Die
Borromäerinnen bekommen es und einige andere sinnvolle
Institutionen ebenfalls. Sie sehen, dass ich wirklich versuche,
meiner Lieblingsheiligen nachzueifern. Und Sie sehen, dass ich nicht
die atheistische Zynikerin bin, für die Sie mich
halten.«
»Das habe ich keineswegs getan«, wehrte Arved nicht ganz
wahrheitsgemäß ab. Er trat näher an die Holzskulptur
heran und schaute sie sich an. »Eine hervorragende
Arbeit.«
»Aus dem Müll gefischt, ob Sie es glauben oder nicht. In
solchen Zeiten leben wir. Die Leute wissen nicht einmal mehr wahre
Kunst zu erkennen. Aber sie laufen ihren Gurus hinterher, ihren
tibetanischen Mönchen und singalesischen Urintrinkern und wem
immer sonst noch. Nein, ich habe wirklich keine Skrupel, wenn ich
diesen Leuten viel Geld abknöpfe. Je älter und
unverständlicher das Buch, desto wirkungsmächtiger der
Zauber. Ich vermute, dass Sie für solche Leute auch nicht viel
übrig haben.«
Arved nickte eifrig. »Eigentlich würde ich jetzt gern
auf mein eigenes Anliegen zurückkommen…«
Lioba Heiligmann lächelte ihn wieder an. Alles Harte in ihrem
Gesicht löste sich und die dunklen Augen wurden heller.
»Sie sind hartnäckig. Das mag ich. Und Sie setzen sich
für andere ein. Das mag ich noch mehr. Ihre Freundin Magdalena
ist also vor Ihren Augen verschwunden, und Sie haben Visionen von
ihr, in denen es ihr nicht gerade besonders gut geht.«
»Sie ist nicht…«
»Glauben Sie an die Hölle, oder glauben Sie nicht
daran?«
»Ich weiß nicht.«
»Sie sollten sich entscheiden, mein lieber Herr Winter. Wenn
Sie nicht glauben, sind Sie ein Fall für den Psychiater.
Ansonsten benötigen Sie geistlichen Beistand. Beides kann ich
Ihnen allerdings nicht geben.«
»Aber Thomas hat doch gesagt…«
»Ihr – das heißt unser – Freund Thomas
Hieronimi war der Ansicht, ich könnte – rein theoretisch,
versteht sich – erklären, was Ihnen widerfahren ist, und
zwar aus meinem dämonologischen Wissen heraus. Vielleicht kann
ich das sogar.«
Arved sah sie erwartungsvoll an. Sie lächelte immer noch. Er
versuchte, sie sich in vorteilhafterer Kleidung und mit einem
besseren Haarschnitt vorzustellen. Seit wann interessierst du dich
für die Frauenwelt?, schalt er sich sofort. Außerdem
gelang es ihm nicht, ihr Bild vor seinem inneren Auge zu
verändern. Magdalena, zischte eine Stimme in ihm…
»Kommen Sie wieder mit hinunter.« Lioba Heiligmann
führte ihn zurück in die Bibliothek, fort von der Oberwelt,
der Welt der heiligen Elisabeth, deren Präsenz er nun über
sich spürte. Sie bedeutete ihm mit einer knappen Handbewegung,
sich zu setzen, und schloss eine der Vitrinen auf, deren
Schlüssel sie an einem kleinen Lederband um den Hals trug. Sie
nahm ein kleines Buch heraus und legte es ihm wortlos vor.
Arved nahm es auf und schaute auf das Titelblatt:
Grimorium Nigrum,
welches ist das Schwartze Buch aller verborgenen
Weisheyt.
»Was ist das?«, fragte er.
»Das ist in der Tat ein Zauberbuch. In ihm werden die
Geräte beschrieben, die Sie in dem verfallenen Haus gefunden
haben, und wenn ich mich richtig erinnere,
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