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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Kreises von Pilzen, die im Nachtsilber hell glänzten. Es
wirkte, als sei er soeben aus diesem Kreis hervorgewachsen. Er
bemerkte, dass Arved auf seine Füße schaute und zertrat
angewidert die blassen Pilze. »Pilze? Zu dieser
Jahreszeit?«, murmelte er; es klang beinahe verärgert. Dann
drehte er sich um und ging zurück zu der Hütte. Arved
folgte ihm mit unsicheren Schritten.
    Als sie wieder im Keller standen, fragte Arved: »Hast du das
auch gerochen?«
    »Was?« Noch immer diese dunkle Stimme, wie durch eine
Höhle gepresst.
    »Diesen Verwesungsgeruch.«
    »Vielleicht ein totes Tier. Willst du weitermachen?«
    »Ja.« Arved schaltete die Taschenlampe ein, die auf den
Boden gefallen war, und entzündete wieder die Kerzen und die
Räucherpfannen. Er untersuchte den Altar genau, doch nichts
Organisches, Weiches war darauf zu sehen. Er schlug sein Buch auf,
nahm den Dolch in die linke Hand und den Zauberstab in die rechte und
setzte mit der Beschwörung neu an.
    »Herrscher Luzifer, Meister aller gefallenen Engel, ich flehe
dich an, dich mir gnädig zu zeigen…«
    Diesmal ereignete sich keine Störung. Der Sturm draußen
hatte sich gelegt und die Äste knirschten nur noch selten. Der
Rauch aus den Räucherpfannen ballte sich zusammen und das
Mondlicht durchstach ihn. Er wirbelte umher, zog zur Falltür,
machte kehrt, als scheue er die frische Nachtluft, und breitete sich
in dem Kellerverlies aus.
    Ulrich hatte sich wieder in seine Ecke zurückgezogen und
schaute aufmerksam zu. Als die letzten Worte der beängstigenden
Beschwörung verweht waren, hielt Arved den Atem an. Er schaute
in den Rauch. Gestalten schienen in ihm zu spielen, auseinander zu
treiben und sich wieder neu zusammenzusetzen. Arved drehte sich
hinter dem Altar einmal um die eigene Achse und achtete darauf, dass
er dabei immer im Schutz des magischen Kreises blieb. Er warf Ulrich
einen kurzen Blick zu. Der kleine Priester hatte die Augen
geschlossen. Seine Wangen wirkten im Mondschein fahl und eingefallen.
Er hatte die Hände wieder wie zum Gebet ineinander verkrallt;
sogar aus der Entfernung erkannte Arved, dass die Knöchel rot
hervorstanden.
    Bald hüllte der Rauch den gesamten Raum ein. Arved hatte das
Gefühl, als braue sich etwas zusammen, als steige die Spannung
in der Luft, wie bei einem Gewitter. Und da war wieder dieser
Gestank. Kam er vielleicht nur von dem Räucherwerk? Angestrengt
spähte er in die rauchgeschwängerte Luft. Immer neue Formen
bildeten sich darin, doch sie hatten keinen Bestand. Sollte er die
Beschwörung wiederholen? Hatte er etwas falsch gemacht? Einen
der Namen falsch ausgesprochen? Eine Ingredienz vergessen? Er hatte
sehr deutlich das Gefühl, dass etwas unmittelbar bevorstand.
Arved wurde immer nervöser. Als draußen, irgendwo im Wald,
ein Zweig knackte, fuhr er zusammen und stieß einen Schrei aus.
Ulrich öffnete die Augen und sah ihn an. Sein Gesicht schien vor
Anspannung zu brennen.
    Plötzlich ballte sich der Rauch zu einer einzigen Wolke
zusammen und stürzte sich auf Arved. Ihm wurde schwarz vor
Augen. Seine letzte Empfindung war die einer schrecklichen Gegenwart,
die alle Ängste und Qualen, welche er je erlitten hatte, ins
Unermessliche steigerte. Dann sickerte das Bewusstsein aus ihm.

 
19. Kapitel
     
     
    Arved lag in seinem Bett. Natürlich. Wo sonst? Die Sonne war
schon aufgegangen; das grüne Efeulicht durchflirrte den Raum und
legte die Risse in den Wänden und den abbröckelnden Stuck
an der Decke frei. Arved rieb sich die Augen. Was für ein Traum!
Er hatte tatsächlich in seiner Nachtphantasie versucht, einen
Dämon zu beschwören – irgendeinen, damit das Tor zur
Hölle geöffnet wird. Wie lächerlich. Er schaute an
sich herunter. Schwarze Cordhose und grauer Pullover.
    Seit wann schlief er angezogen?
    Wie vom Blitz gerührt sprang er aus dem Bett und lief
hinunter ins Wohnzimmer. Wo war das Zauberbuch? Wo waren die
Utensilien, die er gekauft hatte? Als er die Tür aufstieß,
sah er Ulrich Schwarz auf dem Sofa sitzen, das Kopfreliquiar des
heiligen Pamphilius in der Hand.
    »Schön, dass du wach bist«, sagte er. »Ich
hoffe, es geht dir gut. Du hast sehr lange geschlafen. Ich habe
inzwischen deine Katzen gefüttert.«
    Arved fuhr sich mit der Hand an die Stirn. Plötzlich hatte er
rasende Kopfschmerzen. »Was ist passiert?«, fragte er
leise.
    Ulrich setzte das Reliquiar auf den Knien ab und sagte:
»Weißt du es nicht mehr? Du bist nach der Beschwörung
ohnmächtig geworden. Du hast etwas

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