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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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von einem Wesen gerufen, das
sich im Rauch bilde, dann war es vorbei. Wahrscheinlich war das
Räucherwerk zu viel für dich. Mir ist auch etwas übel
geworden. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich es geschafft haben,
dich bis zu deinem Wagen zu schleppen.«
    »Es war also alles umsonst«, murmelte Arved und kniff
die Augen vor Schmerzen zusammen.
    »So würde ich das nicht sagen«, meinte Ulrich
Schwarz. Er stand auf und stellte das Reliquiar zurück an seinen
Platz auf der alten englischen Anrichte. »Hast du in der letzten
Nacht noch einmal Visionen der Hölle gehabt oder diese Frau
gesehen?«
    »Nein…«
    »Na bitte. Du hast dich selbst exorziert. Das hatte ich
gehofft. Ab jetzt brauchst du keine Angst mehr vor der Hölle zu
haben. Es ist dir gelungen, dich durch diese objektiv betrachtet
unsinnige Handlung von all deinen Schuldgefühlen zu reinigen. Du
hast erkannt, dass deine Visionen keine reale Grundlage
hatten.«
    Arved seufzte auf. Es war ihm so peinlich. Ulrich hatte Recht.
Zwar waren da diese schlimmen Kopfschmerzen, trotzdem aber
fühlte er sich viel besser. Das Gefühl der inneren
Zerrissenheit war verschwunden. Er hatte das Unmögliche versucht
und konnte es nun als unmöglich akzeptieren. Er atmete auf.
Gleichzeitig verflogen die Kopfschmerzen. Er lächelte Ulrich an.
»Du musst mich als großen Narren ansehen«, sagte er
beinahe flüsternd.
    Ulrich erwiderte das Lächeln und legte Arved eine leichte
Hand auf die Schulter. »Keineswegs. Du hast in einer psychischen
Zwangssituation gesteckt und dir einen Ausweg zurechtgebastelt, der
keine Verankerung in der Wirklichkeit hatte. Du bist den Weg bis zum
Ende gegangen und hast begriffen, dass er nirgendwohin führt.
Das ist keine Narrheit, sondern eine große Einsicht. Du kannst
dich glücklich schätzen.«
    »Ich danke dir so sehr für deine Hilfe«, murmelte
Arved, der immer röter im Gesicht wurde. Er verspürte eine
Hitze wie im Hochsommer. »Wie gut, dass du da warst. Wer
weiß, was geschehen wäre, wenn du mir in dieser Hütte
nicht geholfen hättest.«
    »Weiß Gott, vielleicht wärest du erstickt wie
diese jenaischen Dämonenbeschwörer im achtzehnten
Jahrhundert. In diesem Keller ist es sehr schnell stickig geworden.
Es hat sich alles gefügt. Du solltest nicht Gott verwerfen und
an die Hölle glauben, sondern es umgekehrt tun. Jetzt muss ich
aber gehen. Ich habe meine Pflichten schon sträflich
vernachlässigt. Vielleicht fängst du erst einmal einfach
wieder an, dein Brevier zu beten. Der Weg zurück steht dir
jederzeit offen.«
    Er gab Arved die Hand. Sie war kalt und feucht. »Ich finde
schon den Weg«, sagte er. »Nach draußen«,
fügte er rasch hinzu. Und war gegangen.
    Arved hörte, wie die schwere Haustür ins Schloss fiel.
Dann zog er sich um; er fühlte sich in schwarzem Anzug,
weißem Hemd und dunkler Krawatte immer noch am wohlsten.
Außerdem verströmte der Pullover einen seltsamen Geruch.
Er ging hinunter ins Wohnzimmer.
    Lilith und Salomé kamen zu ihm. Er setzte sich dorthin, wo
Ulrich gesessen hatte, aber die Katzen weigerten sich, neben ihn zu
kommen. Stattdessen blieben sie vor dem Sofa sitzen und schauten
Arved mit einem Blick an, den er beinahe als vorwurfsvoll empfand. Er
stand wieder auf und öffnete die Haustür. Er wollte frische
Luft schnappen.
    Aber da draußen war keine frische Luft.
    Da war nur die Schwärze einer gewaltigen, feucht glitzernden
Höhle, aus deren Tiefen schrecklich heulende Geräusche
drangen.
    Arved schlug die Tür wieder zu und atmete tief durch.
Nachwehen seiner vergangenen Träume und krankhaften
Visionen… Er öffnete die Tür erneut.
    Und schaute in die Hölle.
    Mitten aus dem Gewürm, dem Gewimmel, den Tentakeln, den
verzerrten, leidenden Gesichtern erhob sich ein Antlitz, das zu
strahlen, das nicht hierher zu gehören schien. Magdalenas
Antlitz. Es schwebte auf ihn zu, während er immer noch auf der
Schwelle seines Hauses stand.
    »Du hast es versucht«, flüsterte es. »Aber du
hast es nicht geschafft. Komm zu mir und suche mit mir zusammen. Und
führe uns fort von hier. Nur du kannst es. Du bist unsere letzte
Hoffnung. Steige hinab in das Reich der Toten und auferstehe mit
uns.« Das Gesicht zerplatzte und Tausende Motten flatterten aus
dem Schädel hervor. Sie griffen Arved an, der sich endlich
wieder rühren konnte und die Haustür zuwarf.
    Es verursachte einen gewaltigen Hall. Hinter ihm.
    Er wirbelte herum. Und starrte in die feucht glänzende,
unermessliche Höhle, in der sich Gestalten

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