Hexennacht
gefährlichen
Gewässern. Ich möchte Sie lebend und bei guter Gesundheit
wiedersehen. Und ohne Höllenvisionen. Sie gehören ins
Leben, nicht ins Jenseits.«
20. Kapitel
Auf dem Klingelschild des letzten Hauses von Houverath bei Bad
Münstereifel, eines grünen, modernen Holzhauses mit einem
Carport davor, befand sich kein Hinweis auf einen Achim Lang-Wege.
Stattdessen stand da: J. W. Martin. Arved trat einen Schritt
zurück und warf noch einen Blick auf die Hausnummer. 12 a.
Wie auf der Karte angegeben. Er schellte.
Ein Mann Ende vierzig öffnete. Dicke Brille, ein wenig
beleibt, was Arved gleich sympathisch war, lange schwarze Haare mit
Mittelscheitel, wie ein Nachhall der Siebziger. »Ja bitte?«
Ein deutlicher kölscher Akzent.
»Verzeihen Sie bitte die Störung. Ich suche Achim
Lang-Wege.«
»Der wohnt hier nicht.« Schon wollte der Mann die
Tür wieder schließen, doch Arved ließ nicht locker.
Er hielt ihm die Visitenkarte unter die Nase. Der Mann hielt in
seiner Bewegung inne und lächelte. »Was wollen Sie denn von
ihm?«
»Es geht um ein Buch, das er vor kurzem herausgebracht hat.
Es ist sehr wichtig für mich.« Arved gab sich einen Ruck.
Sein Beruf half meistens, wenn es um den Anschein von Seriosität
ging. »Ich bin Priester.«
Das Lächeln war fort. »Schön für Sie. Guten
Tag noch.« Hier hatte er offenbar das Gegenteil erreicht. Die
Tür fiel harsch zu.
Arved machte einige Schritte zurück zu seinem Bentley und
schaute noch einmal an dem Haus hoch. Es wirkte so frisch und
freundlich; hinter ihm lugte der Wald hervor.
Und in einer Birke klebte wie ein großes Vogelnest der
aufgeblähte Kopf Magdalena Meisens. Der Mund verzerrte sich zu
einem Schrei, der Arved in den Ohren gellte. Das musste doch auch der
Mann mit den langen Haaren gehört haben! Arved hielt sich die
Ohren zu und lief zurück zum Haus. Von hier aus konnte er die
Birke nicht mehr sehen. Vorsichtig nahm er die Hände von den
Ohren.
Alles war still. In der Ferne tuckerte ein Traktor und irgendwo
schrie eine Kuh. Er schellte erneut.
Und erneut wurde geöffnet. »Sie sind aber
hartnäckig. Wollen Sie mich wegen des Buches exkommunizieren
oder was?«
»Sie sind also Achim Lang-Wege?«
»Immerhin sind Sie ein Schnellmerker.« Achim Lang-Wege
alias J. W. Martin blieb ungerührt in der Tür stehen.
»Sie brauchen nicht zu befürchten, dass ich Ihnen wegen
des Buches etwas anhängen will«, beeilte sich Arved zu
sagen. »Ganz im Gegenteil. Es geht um etwas anderes – um
etwas, das für mich persönlich sehr wichtig ist. Es steht
im Zusammenhang mit den Walpurgisfeiern im Kunowald.«
Martin zog die Brauen hoch. Er schien kurz zu überlegen, ob
er diesen seltsamen Kauz hereinbitten sollte; dann trat er zur Seite
und machte eine einladende Handbewegung. Er führte Arved durch
einen schmalen Flur in ein kleines, nach hinten hinaus gelegenes
Arbeitszimmer, das mit Regalen vollgestopft war. Dort, wo keine
Bücher die Wände bedeckten, hingen Karikaturen, von denen
einige den Hausherrn darstellten. Daneben hingen Originalzeichnungen
mit Widmungen verschiedener Künstler. J. W. Martin schien eine
bekannte Persönlichkeit zu sein. Hoffentlich beging Arved hier
keinen gewaltigen Fehler.
Der Journalist wies Arved einen kleinen, aber bequemen Sessel zu
und setzte sich selbst hinter den schräg im Zimmer stehenden
schwarzen Schreibtisch. Er sah seinen Besucher mit unverhohlener
Neugier an.
Wie sollte Arved beginnen? Er konnte nicht gleich mit der Tür
ins Haus fallen und von seinen Visionen sowie seinem Wunsch anfangen,
wie Orpheus in die Hölle hinabzusteigen, um dort seine Eurydike
zu retten. Schließlich wollte er nicht sofort als Irrer
abgestempelt und wieder hinausgeworfen werden.
»Die Walpurgisfeiern im Kunowald also«, meinte Martin
und zündete sich eine Zigarette an. »Jecke Sache. Ich hatte
gehofft, an die Gruppe heranzukommen, sie also zu infiltrieren und so
weiter, aber die halten dicht, da kommt man nicht rein. Ein Bekannter
von mir hatte mir den Tipp gegeben. War eine ganz schön
unheimliche Sache, damals im Kunowald. Schon mehr als ein Jahr her.
Wie die Zeit vergeht… Was interessiert Sie denn daran?«
Arved krampfte die Hände ineinander. »Ebendiese Gruppe.
Haben Sie weitere Informationen darüber?«
»Will die Kirche zum Kreuzzug blasen?« Martin blies
einen Rauchkringel in die Luft. Irgendwo draußen bellte ein
Hund; Motorengeräusch, versickernd; Normalität.
Arved zwang sich zu einem Lächeln.
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