Hexennacht
recht warm.
»Was hast du in der Stadt vor?«, fragte er und schaute
Arved von der Seite an.
Arved überlegte, ob er ihm sagen sollte, was er vorhatte.
Ulrich würde es bestimmt nicht gutheißen. Er hatte Arved
zwar bei der erfolglosen Beschwörung geholfen, aber es war nicht
vorherzusehen, wie er reagieren würde, wenn er erführe,
dass Arved mit Satanisten und Dämonenbeschwörern Kontakt
aufnehmen wollte. Andererseits könnte er ihm vielleicht bei dem
schwierigen Weg ins Internet helfen. Warum nicht? Ulrich musste ja
nicht wissen, wem er schrieb.
»Ich möchte eine E-Mail schreiben, aber ich habe keine
Ahnung, wie das funktioniert. Kennst du dich damit aus?«
Es stellte sich heraus, dass Ulrich oft im Internet surfte.
Während sie an der Porta Nigra vorbeigingen, warf Arved einen
Blick hoch zu der Apsis, die aus der Zeit übrig geblieben war,
als das monumentale Tor zu einer Kirche umgebaut worden war. Das
Christentum hatte schon immer die Angewohnheit gehabt, auf den Ruinen
des Heidentums zu siedeln. Seltsam: Neben Ulrich hatte Arved das
Gefühl, als könnten ihn Magdalenas Visionen nicht mehr
erreichen.
Keiner von beiden erwähnte mehr die Beschwörung. Erst
als sie den Hauptmarkt schon hinter sich gelassen hatten und an den
Buden neben Sankt Gangolf vorbeischritten, meinte Ulrich: »Sind
die Geister vertrieben?«
Zuerst begriff Arved nicht, was er damit meinte. Dann nickte er.
Zögernd.
Im ersten Stock der Buchhandlung war ein Computer frei. Ulrich
erklärte ihm, dass er erst einmal Geld einwerfen müsse.
Arved fischte eine Zwei-Euro-Münze aus seinem Portemonnaie und
steckte sie in den Schlitz. Mit einem entsetzlich lauten Klappern
landete das Geldstück im Innern der Maschine. Das Poltern
erinnerte ihn an die hallenden Schreckensschreie aus seinen Visionen,
und ganz kurz sah er wieder Magdalenas entsetztes Gesicht und ihren
verzerrten Körper in dieser gewaltigen, nass schimmernden
Höhle vor sich. Doch es war nur eine Erinnerung – blass,
verschwommen, Vergangenheit.
Ulrich setzte sich vor den Computer und tippte mit beachtlicher
Geschwindigkeit auf der Tastatur herum. »Wem willst du
schreiben?«, fragte er schließlich und sah Arved mit
dunklen Augen an.
Er nannte Ulrich Schwarz die Adresse.
Der Priester gab sie ein. Dann räumte er den Platz für
Arved. »Stell dir einfach vor, du sitzt an einer
Schreibmaschine.«
Arved schrieb:
Habe Buch anzubieten. Vorbesitzerin: Ludwiga Bohnum. Preiswert.
Bitte um Kontaktaufnahme.
Er fügte seine Telefonnummer hinzu und bat Ulrich, den Text
abzuschicken.
Nachdem Ulrich einen Blick auf die kurze Nachricht geworfen und
die Worte auf den elektronischen Weg geschickt hatte, sah er Arved
fragend an. »Seit wann verkaufst du Bücher?«
»Nur dieses eine Mal. Ich glaube, es ist für diese
Adresse von besonderer Bedeutung.«
»Hat es etwas mit deinem Beschwörungsversuch zu
tun?«
»Nein, nein, natürlich nicht.«
»Ich hoffe, ich kann dir glauben.«
»Aber selbstverständlich. Es handelt sich um das Buch,
das Lioba Heiligmann mir verkauft hat – das Buch, aus dem
wir…«
»Du möchtest es nicht mehr haben?«
»Nein.«
»Warum verkaufst du es nicht mir?« Ulrich lächelte
Arved aufmunternd an.
»Wärest du bereit, dafür viertausendeinhundert Euro
zu bezahlen?«, fragte Arved. Sein Tonfall machte klar, dass er
eine Ablehnung erwartete.
»Warum nicht?«, antwortete Ulrich jedoch und schaltete
den Computer aus. »Es handelt sich schließlich um ein sehr
außergewöhnliches Stück, oder etwa nicht?«
»Ja… nein… das heißt…«
»Das heißt, dass du es mir nicht verkaufen
willst«, unterbrach Ulrich ihn und stand von dem Hocker auf.
»Warum nicht?«
»Ich dachte, jemand anderes… außerdem wusste ich
ja gar nicht, dass du auch…«
»Dass ich auch… was?«
»Na ja, dass du an solchen Büchern interessiert
bist.«
»Solche Bücher, wie du sie nennst, sollten nicht allzu
weit verbreitet werden. Sie könnten in die falschen Hände
geraten. Das möchte ich verhindern.«
»Was kann das Grimorium Nigrum schon anrichten?«,
gab Arved zu bedenken. »Ich hab’s ja versucht.« Er
zuckte die Achseln.
»Und was ist, wenn irgendein verrückter Okkultist es in
die Hände bekommt, der die Anweisungen genau befolgt und wie der
Verfasser der Meinung ist, dass man am besten ein kleines Kind bei
der Zeremonie schlachtet?«
»Wer kann denn schon so verrückt sein?«
»Wer kann so verrückt sein, dieses Buch überhaupt
ernst zu nehmen?«, konterte Ulrich
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