Hexennacht
nach draußen. In der
Alkuinstraße gab es eine Druckerei. Bestimmt würde er dort
die Kopien machen können.
Tatsächlich half man ihm bereitwillig und berechnete ihm
nicht einmal die drei Kopien, die er auf dem Bürokopierer
machte. Nun besaß er eine Ablichtung des Titelblattes mit
Ludwiga Bohnums Eintrag und zwei Textseiten mit ihren Anmerkungen
– genug, um die Authentizität des Buches zu beweisen, aber
zu wenig, um für einen Teufelsbeschwörer von Nutzen zu
sein. Er faltete die Kopien und steckte sie in die Innentasche seines
schwarzen Jacketts.
Bevor er gegen sieben Uhr losfuhr, betete er sein Brevier und fand
in der alten Gewohnheit Stärkung.
* * *
Die Fahrt war ereignislos. Er wusste kaum mehr, wie oft er in der
vergangenen Zeit diese Strecke zurückgelegt hatte. Wieder lenkte
er den schweren Bentley bei Manderscheid von der Autobahn herunter,
nachdem er an der Autobahnraststätte fünf Kilometer vor der
Abfahrt getankt und dafür ein kleines Vermögen ausgegeben
hatte. Er fuhr nicht nach links in den Ort, sondern blieb auf der
Straße, die über Hochflächen und durch Wald in
Richtung Daun führte. Er brauste an dem Örtchen Eckfeld
vorbei, wo die Straße eine enge Rechtskurve machte, in der der
Bentley ein wenig ins Schleudern geriet; er sauste an Feldern vorbei,
auf denen sich die Schatten des Abends versammelten, und tauchte
wieder in Wald ein, der schon den Mantel der kommenden Nacht trug.
Die Lichtfinger des Wagens klammerten sich an blasse Stämme und
weißes Gezweig.
Hinter einer Biegung sah er die Weite des Landes vor Daun. Links
von ihm fiel es zum Weinfelder Maar ab, das auch Totenmaar hieß
und wie ein riesiges Auge tief in der Höhle lag, die aus
Hängen mit Buschwerk und Bäumen gebildet wurde. Der Mond
hing rot und schwer über dem Wasser – der einzige Farbpunkt
in dieser Abendwelt.
Arved fuhr an dem Maar vorbei und folgte der Straße, bis
sich rechts von ihr ein Parkplatz wie eine Blase aus Asphalt
öffnete. Er stellte den Bentley darauf ab, schaltete Licht und
Motor aus und verließ den Wagen.
Die Ruhe war vollkommen. Kein anderer Wagen parkte hier; kein
Wagen ließ sich auf der Straße blicken. Es war
windstill.
Auf der anderen Seite der Straße führte ein Schotterweg
zur kleinen Kapelle, dem Treffpunkt. Arved schaute unsinnigerweise
nach rechts und links, als er die Straße überquerte. Als
er drüben stand und einen Blick zurück auf den Parkplatz
warf, war ihm, als sei er nicht allein. Natürlich. Irgendwo
würde sie lauern, die Trägerin der unkörperlichen
Stimme, und vielleicht auch ihre Gesellen. Jochen Martin hatte
gesagt, es seien sechs. Vielleicht würden sie alle da sein.
Angst stieg in ihm auf. Wilde, unbezähmbare Angst, die ihm einen
bitteren Geschmack auf die Zunge legte. Nein, sie würden ihm
nichts tun, denn er hatte das Buch ja nicht dabei.
Er ging in den Wald hinein. Auf den ersten Metern erhellte der
Mond noch den Weg, doch dann schlossen sich die Schatten um ihn.
Im Unterholz raschelte und wisperte es. Der Weg war kaum mehr als
eine dunkelgraue Schlange in einer schwarzen Grube, und Arved war
froh, in einiger Entfernung vor sich das Ende des Waldes zu sehen.
Der silbrige Mond tauchte den Friedhof und die uralte Umfassungsmauer
in seltsames, spielerisches Licht. Die kleine, gedrungene Kirche mit
dem massigen Turm erhob sich inmitten der Gräber wie ein
gewichtiger, stummer Gedanke. Alles war mehr als unheimlich. Warum
musste das Treffen ausgerechnet hier stattfinden? Arved kannte den
Ort doch! Warum hatte er am Telefon nicht auf einem anderen
Treffpunkt bestanden? Mit bangen Schritten näherte er sich dem
Friedhofstor. Es war unverschlossen und quietschte nicht einmal.
Arveds Schritte knirschten auf dem Kies und Sand. Einige
Grablaternen durchstachen den silbernen Schleier des Mondlichts mit
ihren roten Flämmchen. Er sah sich immer wieder um und versuchte
herauszufinden, ob er allein war. Nichts rührte sich. Er ging
links an der Kirche vorbei – das Maar lag zu seiner Linken
hinter den Bäumen und trank das Silber des Mondes – und
schlich die wenigen Stufen hoch zum Portal im Turm. Es war ebenfalls
unverschlossen. Arved zog es auf und spähte vorsichtig in das
Innere.
Kein einziges Licht brannte in der kleinen Kapelle. Ein
Glockenseil hing von der niedrigen Decke herab, über welcher der
Turm sich erhob, und schwankte leicht im Luftzug von der
geöffneten Tür. Dahinter war nur Schwärze; das
Mondlicht beleuchtete kaum den kleinen Vorraum unter
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