Hexennacht
geworden und winzige Nebeltröpfchen drangen unter seine
Kleidung. Seine Füße froren in den luftigen Sandalen.
Rasch klebten ihm die blonden Haare am Schädel und er rieb sich
das Wasser aus den Augen. Angestrengt spähte er in alle
Richtungen, doch nachdem er einige Schritte gemacht hatte, sah er
nicht einmal mehr das Gasthaus. Es hatte keinen Zweck, in diesem
Nebel nach seinem Wagen zu suchen; er wusste ja nicht einmal, wohin
er gehen musste.
Aber er wusste auch nicht mehr, wie er in die Sicherheit seines
Zimmers zurückkehren konnte.
»Hallo?«, rief er, dann noch einmal, lauter:
»Hallo!« Er hatte das Gefühl, als rufe er in Watte
hinein. Und als atme er Watte. Er fragte sich, wie oft er sich um die
eigene Achse gedreht hatte. Er ging einfach in die Richtung, die er
für die richtige hielt.
Und stand kurz darauf vor einer Mauer.
Er konnte sich nicht erinnern, bei seiner Ankunft gestern Abend
eine Mauer vor dem Gasthaus gesehen zu haben. Er befühlte sie.
Sie bestand aus Ziegelsteinen und war höher als er selbst. Auch
nach rechts oder links nahm sie kein Ende. Er tastete sich in beide
Richtungen an ihr entlang. Der Boden unter seinen Füßen
änderte sich dabei. Zuerst war es Asphalt gewesen; das
spürte er genau. Nun war es Kies oder Schotter. Er ging
zurück bis zu der Stelle, wo der Asphalt wieder anfing, und
drehte sich um, sodass er die Mauer im Rücken hatte. Dann ging
er los. Er hielt die Hände vor sich ausgestreckt, aber kein
Hindernis stellte sich ihm in den Weg. Wenn er sich nun noch einmal
drehte, würde er wieder jede Orientierung verlieren, also ging
er weiter.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis es allmählich vor ihm
heller wurde. Über im leuchtete etwas. Vielleicht war es die
Sonne, die langsam den Nebel vertrieb. Er ging noch einige Schritte
weiter.
Es war nicht die Sonne, aber es war etwas, das er beinahe genauso
sehr willkommen hieß. Es war die Leuchtreklame des Gasthofes Hellenthal. Mit einem Seufzer der Erleichterung trat Arved an
die Tür und wollte sie öffnen.
Sie war verschlossen.
Er kramte den Schlüssel hervor, den ihm der Wirt gegeben
hatte, und versuchte ihn in das Schloss zu stecken. Er passte nicht.
Es war offenbar nur der Zimmerschlüssel. Arved klopfte
verzweifelt gegen die schwere Tür. Er verursachte nicht das
geringste Geräusch. Auch seine Rufe richteten nichts aus. Er
lief an der Front des Hauses nach rechts entlang; am Ende musste ja
sein Zimmer liegen. Er lief und lief; das Haus wollte kein Ende
nehmen. Und der Nebel drohte ihn wieder zu umschlingen und von dem
Gasthof fortzulocken. Da endlich bemerkte er hinter einem der
Fenster, die er nur undeutlich wahrnahm, eine Bewegung. Erst jetzt
erkannte Arved, wie weit er sich schon wieder von dem Gebäude
entfernt hatte. Er eilte auf das Fenster zu. Es war mitten in der
Front; das Ende des Gasthofes hatte er noch lange nicht erreicht.
Aber hinter dem Fenster, auf der breiten Marmorbank, saßen
zwei Katzen. Lilith und Salomé. Sie tappten gegen das Glas und
lockten Arved zu sich. Er war überglücklich, als er die
beiden kleinen pelzigen Wesen sah. Und noch glücklicher war er,
als er sah, dass das Fenster nur angelehnt war. Er hatte es vorhin
offenbar nicht richtig verriegelt, als er die Katzen hereingelassen
hatte. Rasch drückte er es auf und sprang über die niedrige
Brüstung. Er atmete auf, als er wieder in seinem Zimmer
stand.
Die Katzen liefen zur Tür und trommelten mit eingefahrenen
Krallen dagegen. »Was ist denn los?«, fragte er sie, als ob
sie Antwort geben könnten, und öffnete die Tür. Bevor
er es verhindern konnten, waren die Tiere in den Korridor entwischt.
Er sprang ihnen nach. Sie liefen nach rechts – dorthin, wo noch
gestern Abend nichts als das Ende des Hauses gewesen war. Nun
erstreckte sich der Korridor etliche Zimmer weiter. Er las die
Nummern 14,15, 16 an den Türen.
Als hätten sich die Katzen geirrt, liefen sie zurück,
vorbei an seinem eigenen Zimmer, bis sie vor der Nummer 9 stehen
blieben. Sie miauten, schnüffelten an der Tür, versuchten
sie aufzudrücken. Und sahen ihn immer wieder an.
»Was habt ihr denn?«, fragte er. Endlich fasste er sich
ein Herz und klopfte. Niemand antwortete ihm. Die Katzen versuchten
immer noch, in das Zimmer hineinzukommen. Arved drückte die
Klinke herunter. Die Tür war nicht verschlossen. Er öffnete
sie leise ein wenig und rief in den Spalt: »Hallo? Bitte
entschuldigen Sie…« Als keine Reaktion erfolgte,
stieß er die Tür ganz auf.
Was
Weitere Kostenlose Bücher