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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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er dort im grauen Licht sah, verschlug ihm den Atem.
    In einem Sessel, der genau wie sein eigener aussah, saß eine
Frau. Sie hatte den Mund so weit geöffnet, wie er es nie
für möglich gehalten hätte. Es war ein stummer Schrei,
der alles andere überlagerte. Unendliche Qual. Die Augen
schienen nichts mehr zu sehen, die Hände hingen schlaff an den
Lehnen herunter, die Füße waren leicht nach innen gedreht.
Nebelarme griffen durch das offen stehende Fenster und umschlangen
die Gestalt im Sessel. Drangen in ihren Mund, in die Augen und die
Nase. Wickelten sich um die Hände. Pressten, drückten,
erwürgten sie.
    Arved kannte die Frau.
    Es war Magdalena Meisen.

 
25. Kapitel
     
     
    Er stürzte zu Magdalena hin, streckte die Hände nach ihr
aus, wollte sie wach rütteln, sie in die Wirklichkeit
zurückbringen. Doch er griff ins Leere. Griff durch sie
hindurch. Dann wurden ihm plötzlich die Arme nach hinten
gerissen.
    »Magdalena!«, rief er verzweifelt.
    Sie reagierte nicht. Immer noch stand ihr Mund offen und ihre
Augen blickten ins Nichts. Eine unwiderstehliche Kraft zerrte ihn aus
dem Zimmer. Es gelang ihm nicht einmal, sich umzudrehen und seinen
Gegner anzusehen. Die Katzen waren verschwunden. Sie hatten ihn in
diese Falle geführt! Verdammte Viecher. Arved keuchte auf, als
er einen Rippenstoß erhielt.
    Draußen auf dem Flur drehten sie ihn um. Es waren zwei.
Zwillinge. Oder sie trugen Masken. Sie glichen einander wie ein Ei
dem anderen. Die blauen Augen, das blonde Haar, die feine, gerade
Nase, die schmalen Wangen und das Grübchen am Kinn. Sie waren
gleich groß, vollführten die gleichen Bewegungen und
hatten das gleiche schmierige Grinsen. Und sie redeten
gleichzeitig.
    »Was sollte denn das, Kerlchen?«, tönte es synchron
aus ihren Kehlen. »Hat man dir nicht gesagt, dass du dich bereit
halten sollst? Allein!« Und wieder packten sie ihn an den Armen.
»Komm mit. Widerstand ist zwecklos.«
    Sie brachten ihn den Korridor hinunter in den Speisesaal. Einige
der Tische waren fortgeräumt worden, sodass ein breiter
Mittelgang entstanden war. Andere Tische hatte man unter dem
Mittelpunkt der Kuppel zusammengeschoben. An ihnen saßen sechs
Gestalten. Sie alle trugen Kutten, wie Mönche. Wie
Zisterzienser. Weiße Kutten mit weißen Kapuzen. Trotzdem
erinnerten sie Arved an etwas. Aber sein Denken glich dem Nebel
draußen, der noch immer vor den Fenstern wallte.
    Die Zwillinge stellten ihn vor die Tischreihe, ließen ihn
los und traten einen Schritt zurück – bereit, sofort
einzugreifen, falls es nötig werden sollte.
    »Du hast dich nicht an das gehalten, wozu du verpflichtet
bist«, sagte die Gestalt rechts außen mit einer seltsam
unkörperlichen, weder männlichen noch weiblichen
Stimme.
    »Wozu bin ich denn verpflichtet?«, fragte Arved.
    »Dein Zimmer nicht zu verlassen, bis du dazu aufgefordert
wirst«, sagte eine andere Gestalt mit derselben Stimme.
    »Niemand hat mich dazu aufgefordert«, verteidigte sich
Arved.
    Eine andere Stimme, wieder dieselbe: »Es versteht sich ja
wohl von selbst.«
    »Ich begreife das nicht. Was soll das? Ich bin ein Gast
dieses Hotels«, wandte Arved ein, der sich wie in einem Traum
vorkam.
    »Natürlich bist du das. Du bist gestern Abend hier
angekommen, und du wurdest freundlich empfangen wie ein gern
gesehener Gast.«
    Wer der sechs hatte das gesagt? Arved gab auf, herausfinden zu
wollen, wer gerade sprach.
    »Dir wurde dein Zimmer zugewiesen, und man hat dir
erklärt, wann du frühstücken kannst –
nämlich immer. Das ist ein großes Privileg.« Eine der
Kutten raschelte, gab jedoch nichts von dem preis, was unter ihr
steckte.
    »Aber mir wurde nicht gesagt, dass ich das Zimmer nicht
verlassen soll. Wie hätte ich denn den Speisesaal erreichen
sollen, wenn ich nicht hinausgehen darf?«, wollte Arved wissen
und verschränkte die Hände vor dem Bauch, als wolle er
beten.
    »Das ist dein Problem. Es hätte zu deiner Verurteilung
schon ausgereicht, dass du in den Frühstücksraum gegangen
bist. Aber du hast noch Schlimmeres getan. Du hast das Haus verlassen
und bist im Draußen herumgegangen. Es wäre dir beinahe
nicht gut bekommen. Und dann hast du an die Tür eines anderen
Gastes geklopft. Schlimmer noch: Du hast diese Tür geöffnet
und bist ungebeten eingetreten.«
    »Ich kenne die Frau, die in diesem Zimmer wohnt. Sie hat mich
gerufen.«
    »Es mag sein, dass du sie kennst. Du könntest noch
vielen Menschen begegnen, die du kennst. Und vielleicht hat sie dich
sogar

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