Hexensabbat
hörte nicht auf die Gespräche der andern, die von den Früchten, oder dem Zuckerwerk nahmen, sondern sie sah starr vor sich nieder, weil ihr Gemüt, ohne Gegenstand zwar, tief bewegt war. Sie sann nach, warum sie traure, und ein zagendes Zittern sie durchbeben als sie die Augen erhob und über den Dechanten erschrak, der sich still an ihre Seite gesetzt hatte. Was ist Euch? fragte der Geistliche teilnehmend. Weiß ich es selbst? antwortete sie; ich betrat mit Heiterkeit dieses Haus und werde es nun tief betrübt verlassen, ohne daß mir etwas begegnet sei, das ich traurig, oder nur unangenehm nennen könnte. Es scheint oft in der Luft eine Schwermut zu regieren, die sich den Menschen unmittelbar einsenkt, denn alle waren heut, so schön das Wetter ist, verstimmt und zu Verdruß und Händeln aufgelegt.
Es ist wohl oft, sagte der Dechant, das Vorgefühl unsers künftigen Schicksals, welches der inwendige Geist schon voraussieht, ohne Bild und Gestalt. Das mag wohl jene unnennbare Angst sein, die zuweilen alle unsre Kräfte zusammendrückt. Die Erfüllung des Vortraums kommt oft erst nach Jahren. Auch mich quält oft solche Angst, von der wir nicht wissen, ob wir sie eine geistige oder körperliche nennen sollen. – Freundestrost ist in dieser Verstimmung das höchste Glück, aber Ihr habt Euch mir entzogen und wollt Euch immer mehr entfremden, ja es gefällt Euch, mich zu Euern Feinden zu zählen. Seht aber ein, schöne Freundin, daß zwei Menschen, die Verstand haben, sich einigen sollten, sich nützen, sich gegenseitig beruhigen, einer dem andern helfen. Jeder kann schaden und nützen. Und wenn es wahr ist, wie ich es denn nur zu gern glaube, daß Ihr mit Friedrich nicht in jener Verbindung steht, die ich argwöhnte, so solltet ihr, Holdselige, nicht länger mein Gesuch und mein Bündnis abweisen.
Catharina ermutigte sich und sah ihn mit ihren großen Augen durchdringend an: Es kann nicht sein, sagte sie dann ruhig, ich erkläre es Euch fest und bestimmt.
Ihr werdet es einmal bereuen, fuhr der Dechant dringend fort, auch ist es unmöglich, daß eine so wahre Leidenschaft, wie es die meinige ist, keine Erwiderung finden sollte. Erinnert Ihr Euch wohl einer alten Armgart, die aus Euerm Hause sich mit einem Bauern verheiratete?
O ja, antwortete sie, sehr gut, sie war schon lange Witwe gewesen und beging die Torheit, nachdem sie einige Jahr die Aufsicht meines Hauses geführt hatte, sich mit einem jüngern Manne zu verbinden, der sie des kleinen Vermögens wegen nahm. Sie ist unglücklich, ich habe sie schon mehrmals unterstützen müssen; der Mann ist ein Trinker, und sie ist krank und gebrechlich geworden.
Ihr Elend, sagte der Dechant, hat sie bis zur Verzweiflung getrieben, nachdem ihr Verstand schon gelitten hatte. Jetzt sitzt sie draußen im Gefängnis und wird morgen zur Stadt gebracht werden.
Und was hat sie begangen? fragte Catharina in großer Spannung.
Ein Verbrechen, an welches Ihr nicht zu glauben vorgebt, das aber unser Bischof und manche von der Klerisei als das größte und ungeheuerste ansehen.
Wie? rief Catharina, mit krankhaftem Lachen, welches sie unterdrückte: eine Hexe ist sie wohl gar?
Sie hat sich selbst als solche angegeben, erwiderte der Dechant, indem er scharf in das Auge der Frau Denisel blickte, die ihn mit durchdringlicher Frage anschaute. Er hielt ihren starren Blick aus, ohne sich zu verwirren, und sagte nach einer langen Pause: worüber dieses Wundern?
Über Euern unerschütterlichen Ernst, sagte sie, selber sehr ernst.
Die Sache wird untersucht werden, antwortete er leichthin, in den Formen, nach Herkommen und Gesetz. Das geistliche Gericht wird sondern, was Wahnsinn, Krankheit, Einbildung und Wahrheit ist.
Wahrheit! rief sie, fast kreischend aus, war halb aufgestanden und sank in den Sessel zurück; sagtet Ihr, nanntet Ihr Wahrheit? sprach sie dann, wie mit erschöpfter Stimme.
Wohl, Wahrheit, fuhr der Dechant milde fort; wie anders? Unser Bischof ist, wenn auch beschränkt, doch fromm, wenn nicht der Gelehrteste, doch von christlicher Liebe durchdrungen. Seine Beisitzer, die Kanonici, wir und die andern Priester werden ihm helfen und seine Meinung erläutern. Die Sache wird sich, so hoffe ich zuversichtlich, bald zum Guten wenden. – Aber Ihr wechselt, bald mit Glut, bald mit Leichenblässe. Ihr seid nicht wohl, schöne Frau.
Doch, sagte sie, nur für den Augenblick ein weniges verrückt. So, so könnt Ihr sprechen? Ihr, von dessen Lippen ich noch vor wenigen Tagen
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