Hexensabbat
sie, »das ist mir beim Tanzen zu unbequem.« Sie begann, sich aus dem Reitersakko zu schlängeln. Er half ihr galant, ihm blieb der Mund offen stehen, sie lächelte lieb. Damit hatte er nicht gerechnet, sie strich sich über die Hüften, es war genauso, als ob sie ihren nackten Körper abtastete, so eng saß dieser Katzenanzug.
»Aufregend«, er stand neben ihr und bewegte sich nicht. Dann fing er sich wieder und umschloß ihren Ellbogen, um sie zur Tanzfläche zu führen, er tat es mit dem stolzen Grinsen eines Jägers, der die größte Beute des Tages erlegt hatte. Till dagegen grinste nicht. Anna sah im Vorbeigehen rasch zu ihm hinüber, er hätte sie liebend gern umgebracht, sie sah es ihm an. Es war bemerkenswert, wie prüde er bei seiner eigenen Frau reagierte.
Anna tanzte nicht nur mit Dr. Nüssli, es kamen noch etliche Kollegen Tills, von den meisten wußte Anna nicht einmal den Namen. Das enge Stoffutteral, in dem sie sich präsentierte, schien die Männer herauszufordern. Kaum einer benutzte die klassische Tanzhaltung, obwohl Platz genug gewesen wäre, um einen Arm locker abzuspreizen und mit der anderen Hand den Rücken der Partnerin nur eben zu berühren. Immer wieder spürte Anna eine Hand hinabrutschen, sich über die Mulde auf den Ansatz ihrer Pobacken schieben, und von vorn wurde der Druck gegen ihren Bauch stärker, eins, zwei, Wiegeschritt. Es fühlte sich hart an, sie zuckte zurück, so war das schließlich nicht gemeint. Dann tanzte auch Till, einmal drehte er sich auf sie zu, während die Frau, die Anna nicht kannte, unter seinem hochgereckten Arm kreiselte. »Flittchen!«, sagte er und sah Anna dabei an. Dann zog er die andere wieder an sich und lächelte. Mit Anna tanzte er kein einziges Mal, natürlich fiel es auf.
»Ihr Gatte scheint nicht zu wissen, was für ein Juwel er besitzt.« Dr. Nüssli tanzte vorzüglich, besser als Till, bei dem Anna oft genug die Schritte hatte korrigieren müssen, was er ihr übelgenommen hatte, »wer führt eigentlich?« Bei Tills Chef hatte sie diese Probleme nicht, er führte sie sehr sicher über das Parkett.
»Mich besitzt niemand.« Annas Körper versteifte sich, sie kam aus dem Takt, aber ihr Partner holte sie zurück, und sie glitten weiter. »Na na«, sagte er, »verstehen Sie es bitte als Kompliment«, und nach einer winzigen Pause, »um so besser, wenn er Sie nicht besitzt.« Sie tanzten gerade einen langsamen Walzer auf einen Beatles-Song, es war Dr. Nüsslis Lieblingstanz und eines ihrer Lieblingslieder, immerhin etwas, dachte Anna. Wieder glitt er in ihren sich öffnenden Tanzschritt, er tanzte die Schritte klassisch und auch wieder nicht. Er hat einen stehen, durchfuhr es Anna, sie paßte auf, als sein Becken sie erneut berührte, er stand ihm, kräftig. Sie sah kurz hoch und genau in seine Augen, erwischt. Immer, wenn er gegen sie kam, schob er nun mit der Hand tief in ihrem Rücken nach. Es war eine sehr präzise Bewegung, fast wie ficken, Anna fühlte, wie sie feucht wurde. Hoffentlich sah man nichts in diesem Catsuit, sie spürte es zwischen ihren Beinen klamm werden.
»Entschuldigen Sie mich kurz«, sagte Anna.
»Aber natürlich.«
Zum Klo führte eine Wendeltreppe, rechts für Damen und links für Herren, geradeaus war noch eine Tür, auf der »Privat« stand. Als Anna aus der Toilette kam, stand die Tür mit dem Schild »Privat« einen Spalt offen.
»Komm!«
Anna ließ sich durch den Spalt ziehen. Dahinter war es dämmrig, weil es nur eine einzige Glühlampe mit einem Drahtkorb davor in dem Abstellraum gab. Metallregale mit Klopapier und Papierhandtüchern und Seifenspendern und WC-Reinigern und Scheuermitteln, in der Ecke lehnten ein Besen und ein Schrubber, es roch nach Desinfektionsmitteln, das Drahtgeflecht vor der Lampe war rot lackiert, aber der Lack splitterte ab. Ab und zu flackerte das Licht, bestimmt ging die Glühlampe bald kaputt. Anna stemmte beide Hände gegen die grob verputzte Wand in ihrem Rücken. Es war auch kalt hier.
Hinterher, als sie sich mühte, das anthrazitgraue Gewusel um ihre Füße hochzuziehen und zu glätten, Gott sei Dank war Latex eingewebt, das behielt die Form, kam ihr die Idee, daß sie sich wohl billig fühlen sollte. Aber sie spürte nur das Zittern in ihren Knien und so etwas wie Enttäuschung. Sie hatte sich oft ausgemalt, wie es wäre, eine kurze, heiße Nummer mit einem Fremden in einem Flieger oder im Aufzug zu haben. Das hier war genauso abenteuerlich gewesen, wenigstens was den Ort
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