Hexensabbat
mochten, hier in Köln hatten sich anscheinend lauter grau-lila-hennarote Frustfrauen zusammengerottet. Anna kam sich in ihren Röhrenjeans mit dem knappsitzenden Bolero darüber vor wie Prinzessin Wunderlich, bis die Bestsellerautorin auftrat. Die trug sogar einen weit schwingenden Rock und eine todschicke Bluse, sie war wirklich auffallend hübsch und strahlend. Sie begann, von ihrer Hochzeit vor ein paar Wochen zu erzählen, und daß sie sich Kinder wünschte, zwei Kinder. Und das Publikum klatschte wie besessen, Anna faßte es nicht, kapierten die alle nicht, daß es etwas total anderes war, als preisgekrönte Autorin mit dem Outfit eines Models und »just married« über die Stärke der Frauen zu predigen. »Laßt eure Lust heraus!« Anna sah sich um, welche denn? »Genießt eure Weiblichkeit!« Und Anna sah die lila-grauen Stuhlreihen entlang. »Tappt nicht in die Fallen der Kosmetik-Industrie, Diät-Hersteller, Schönheitschirurgen!« Garantiert nicht, keine von diesen Frauen hier würde das tun. »Tut euch zusammen!« Nein, nur das nicht. Anna stand auf, sie mußte einfach aufstehen. Es war zum Kotzen, wenn Frauen bei ihrer eigenen Hinrichtung klatschten.
»Wie war’s?« wollte Marie wissen. Anna hatte sich neben Marie auf die Holzbank gequetscht. Sie hatte Mühe, ihre Schwester zu verstehen, die Worte flogen kreuz und quer über den Tisch.
»Ich kam mir verarscht vor«, antwortete Anna.
»Worum ging’s?« fragte eine, sie hatte auch irgendwie mit Kunst zu tun, in Maries Stammtischrunde hatten alle einen kreativen Touch. Es wurde auf Seide oder hinter Glas oder naiv oder abstrakt oder zu Musik gemalt oder wenigstens übers Malen doziert. Außer Marie gehörten noch vier Dozenten zu dieser Gruppe, das waren Männer.
»Um Power-Feminismus«, erwiderte Anna. Es reizte sie, dieses Schlagwort einfach so zu plazieren, diese Leute konnten stundenlang über die Stilisierung des Nabels bei Wesley und dessen unterschwellige Erotik diskutieren – »wie, du kennst Wesley nicht?« – Anna hatte den Kopf geschüttelt und war sich aussätzig vorgekommen. Das war vor ein paar Monaten gewesen, seitdem war sie nicht mehr hierher gekommen.
»Das hört sich an, als ob man sich davor fürchten müßte.«
»Als Frau ja!« antwortete Anna.
»Und als Mann?« fragte einer der Dozenten, er sah eher normal aus, wenn man von dem Haarpinsel absah, den er sich als Ausgleich zu einer beginnenden Stirnglatze im Nacken gezwirbelt hatte.
»Als Mann«, wiederholte Anna und überlegte kurz. »Ich glaube, Männer lachen nur, wenn ein Haufen lila-grauer Mäuse öffentlich der Schönheitsindustrie abschwört, seine Lust herausschreit und erklärt, ein Netzwerk der Macht errichten zu wollen.«
Der Mann lachte auf. »Und du? Wo stehst du?«
»Ich? Ich würd’s tun und den Mund halten. Oder es nicht tun und auch den Mund halten. Es kommt nur aufs Tun an.«
»Hm. Du findest, hier wird ’ne Menge überflüssiges Zeug geredet?«
»Könnte sein.«
»Könnte wirklich sein. Marie, deine Schwester ist okay.«
»Weiß ich.« Marie faßte Anna um die Hüfte und drückte sie kurz. Komisch, dachte Anna, es hat fünfunddreißig Jahre gedauert, bis sie mich anfassen und gutfinden kann. Das war doch etwas völlig anderes, als wenn ein Mann sie bewunderte. Da schwang immer eine sexuelle Komponente mit, die ließ einen Mann heute jubeln und morgen den Daumen abwärts halten, Abgesang, und dann kam das große Loch.
»Ich bin froh, daß du meine Schwester bist«, sagte Anna leise.
»He, Kleines!« Marie sah sie an, fragend und ein bißchen besorgt, vielleicht auch gerührt. »Ich glaube, du brauchst etwas Kräftigeres als das da«, und sie zeigte auf das Glas Limonade vor Anna. »Wie wär’s mit einem Grog?« Anna nickte, und Marie winkte den Wirt heran. »Zwei Grog, bitte!« Der Mann mit dem Zopf sagte, »drei Grog!« Die beiden Frauen blinzelten sich zu: Männer mochten es nicht, wenn man sie ausschloß, dieser da wollte mitmischen.
Nach dem Grog mußte Anna rasch aufs Klo, sie mußte an der Theke vorbeigehen und dann ein paar Stufen nach unten. Die Treppe mündete in einen kleinen Vorraum, hier hingen Fotos von prominenten Gästen und von der Wirtsfamilie. Außerdem waren noch zwei Plakate an die Wand geheftet, die über Ausstellungen informierten; anscheinend hatte der Wirt auch ein Faible für Kunst.
Rechts ging es zu »Damen«. Sie hatte schon die Hand am obersten Hosenknopf, es war wirklich ziemlich eilig, aber dann blieb sie doch
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