Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegrit Arens
Vom Netzwerk:
Hause hatte Anna das gemacht, hatte resolut mit einem Finger das Lid aufgezwungen, er hatte genau in ihr Gesicht und den hervorquellenden Tropfen sehen müssen. Allein bekam er das nicht hin.
    »Kommst du endlich?« Anette tauchte hinter ihm im Spiegel auf, sehr elegant in einem schulterfreien Abendkleid. Die cremeweiße Seide schmiegte sich an ihren Körper, es gab kaum einen Unterschied zu ihrer Haut und dem hellen Haar, sogar die Perlenkette schimmerte in demselben Ton.
    »Ja«, antwortete Till. Er kam sich dumm vor, wie er da stand. Er wischte sich über das Gesicht und schraubte das Fläschchen zu. Es würde auch so gehen. Außerdem war es höchste Zeit für das Gala-Dinner.
    Till genoß die Blicke, die ihnen folgten, als sie den Speisesaal betraten und sich zu ihrem Tisch führen ließen. »Du bist die Schönste«, Till rückte Anette den Stuhl zurecht, »alle beneiden mich.« Anette lächelte ihm zu und dann dem Ober, der ihr die Karte reichte. Den kulinarischen Schlußpunkt setzte ihr Favorit, der Meisterkoch aus Straßburg.
    »Es liest sich wie ein Roman«, bemerkte Till. Drei Zeilen allein für eine Suppe, als müßte man jedes Salzkorn einzeln aufführen, Till fand es leicht übertrieben.
    »Er komponiert die Namen zu den Speisen selbst. Er ist unglaublich kreativ. Manchmal setzt er sich sogar ans Klavier und spielt für die Gäste im ›Le Crocodile‹. Er ist einfach ein Künstler.«
    »Hoffentlich brennt derweil nichts an.«
    Anette antwortete nicht auf Tills Einwurf. Als er ihr die Karte aus der Hand nehmen wollte, wehrte sie ab, »danke, die nehme ich später mit.« Sie legte die Karte neben sich auf den freien Stuhl.
    »Wirklich gut«, lobte Till, sie waren inzwischen beim Fischgang. Er hob verstohlen die Stoffserviette und tupfte über sein Auge. Vermutlich waren die heißen Speisen und die Kerzen schuld, er spürte, wie das Auge wieder tränte.
    »Ja.« Anette sagte nur das eine Wort. Als Till von seinem Steinbuttfilet aufsah, hatte sie den Kopf dem Gang zugewandt, auf dem sich eine weißgekleidete Gestalt mit Kochmütze näherte.
    »Der große Meister persönlich«, sagte Till und führte die Gabel mit dem letzten Bissen an den Mund.
    Nun hatte der Koch ihren Tisch erreicht. »Madame Schmücker!«
    »Emil!«
    »Daß Sie hier an Bord sind …«
    »Ja.« Es mochte an dem Kerzenlicht oder an Tills tränendem Auge liegen, daß ihr Gesicht plötzlich so fremd aussah. Fremd und weit weg. Als hätte jemand einen Schleier über ihr Gesicht gebreitet.
    »Weiß Monsieur Anselm …?«
    »Aber nein.«
    »Darf ich ihn grüßen?«
    Till fing den Blick auf, den der Mann ihm zuwarf. »Das ist Herr Liebold«, sagte Anette, »ein guter Bekannter.« Dann schwieg sie wieder. Till dachte über den »guten Bekannten« nach, wieso hatte sie das gesagt? Er überlegte, wie es richtig gewesen wäre, natürlich erwartete er nicht, daß sie ihn als ihren Geliebten vorstellte. Nicht bei einem Wildfremden. Sie siezte diesen Emil, er war ein Fremder, einer, der Anselm kannte, den geheimnisvollen Anselm, den siezte sie nicht …
    Tills Besteck schabte über den Teller. Er hielt noch immer die Gabel und das Fischmesser in der Hand. Der Koch war weitergegangen, Till hatte es nicht bemerkt.
    »Bitte nicht«, sagte Anette. Auf ihrem nackten Unterarm hatten sich die feinen Härchen aufgerichtet.
    »Wie?« Till sah auf die Härchen an ihrem Arm und dann wieder auf seinen Teller, der längst leer war. Er legte das Besteck ab. »Entschuldige!« sagte er. Eine Weile später fragte er: »Wer ist dieser Anselm?«
    »Er ist der Besitzer vom ›Le Crocodile‹.«
    »Und für dich? Was ist er für dich?«
    »Ein Freund. Ein sehr guter Freund.«
    »Wie gut?«
    »Willst du uns den letzten Abend verderben? Ich liebe solche Verhöre nicht. Ich bin nicht dein Besitz.«
    »Ich liebe dich.«
    »Schön.«
    Etwas in ihrer Stimme warnte ihn davor, weiterzubohren. Aber er war nicht dumm. In Hamburg hatte sie mit einem Anselm telefoniert, »ein dringendes Telefonat«, hatte sie gesagt. Später hatte sie von diesem Koch und diesem Lokal in Straßburg geschwärmt, eigentlich war sie keine Frau, die so leicht ins Schwärmen geriet. Der Koch hatte sie begrüßt wie ein sehnsüchtiger Pennäler, und ihr herbes Gesicht war ganz weich geworden. Es war ein seltsames Gerede zwischen den beiden gewesen. Nein, dumm und blind war Till nicht. Und ausgerechnet sie verlangte, daß er bei sich zu Hause für klare Verhältnisse sorgte. Er sollte mit seiner Frau brechen,

Weitere Kostenlose Bücher