Hexensabbat
gerade in dem Eingang eines Hauses verschwunden, dem man ansah, daß die Mieten astronomisch hoch waren. Eine Marmorhalle, viel Glas und Chrom und Grünpflanzen. Anna hatte die richtige Nase gehabt, die Neue war eine mit Knete.
»Wir können gleich kehrtmachen.« Ramona tippte auf das Klingelschild, fünf Etagen mit je vier Namensschildern, nur bei fünfen war zu erkennen, daß es sich um Männer handelte, bei den übrigen stand ein Frauenname oder einfach ein Buchstabe, das konnte beides sein. Andrea machte auch ein ratloses Gesicht.
»Die ist es.« Anna zeigte auf das oberste Namensschild links außen.
»Woher willst du das wissen?«
»Erstens hat Till eben ganz oben geklingelt, und außerdem habe ich den Namen schon mal gehört. In Zusammenhang mit der ‹Star Ring›. Wetten, daß es die Alte von der Betriebsfeier ist. Die hatte drei Pfund echte Klunker umgebunden. Das paßt zu diesem Schuppen.«
»Ein Nobelschuppen.« Ramona hörte sich neidisch an.
»Und jetzt?« fragte Andrea.
»Jetzt fahren wir heim. Für heute wissen wir genug.«
Sie fuhren diesmal mit der Straßenbahn, das war billiger. »Wir müssen noch das Taxi teilen«, erinnerte Andrea, als sie ausstiegen. Ramona verzog das Gesicht. »Ich weiß nicht, ob ich genug Geld dabei habe.« Andrea stieß sie an, nicht eben sanft: »Dann gehen wir bei dir vorbei«, sagte sie. Da zückte Ramona ihr Portemonnaie und bezahlte ihren Anteil. »Vergiß das Trinkgeld nicht«, erinnerte Andrea sie, »mit Trinkgeld macht es genau achtzehn Mark und dreißig Pfennige für jede von uns.« Anna hatte länger gebraucht, um auf dieselbe Zahl zu kommen, sie war noch nie sonderlich gut in Kopfrechnen gewesen. Bei Andrea machte sich die Übung in der »Blume« bemerkbar, schließlich kassierte sie dort auch.
»Morgen in Andreas Mittagspause im Cafe an der Ecke«, erinnerte Anna.
»Und wenn ich einen Kunden habe?« wandte Ramona ein.
Anna konnte sich denken, an welchen Kunden sie dachte. »Nichts da, du kommst. Sonst holen wir dich. Denk meinetwegen an die Marmorhalle und an die Alte, mit der Till im Moment rummacht.«
Das zog. Ramona nickte. »Meinetwegen, morgen um eins.«
Anna zwinkerte Andrea zu. Die zwinkerte zurück. »Bis morgen.«
»Das ist eine Scheiße, eine gottverdammte Scheiße, ich bring dich um, ich bring sie alle um …« Till stand vor dem Gerümpel, das Anna vor seinem Zimmer, dem Gästezimmer, aufgetürmt hatte. Bücher, Zeitschriften, Handwerkszeug, Funkgerät, Flaschen in Weihnachtspapier, sogar das alte Zelt, es war eine Sauerei. Sogar seine Unterhosen hatte sie dazugeworfen, dreckige Unterhosen, die Zwickel sahen aus wie dunkle Löcher. Er bückte sich danach und hob sie auf: Es sah nicht nur aus wie Löcher, es waren Löcher. Dieses Weib hatte drei Mini-Tulpen mit hängenden Köpfen in die bewußte Partie geschnitten. »Dreckstück«, brüllte er, »ich bringe dich um.«
»Ist was?« Anna streckte den Kopf aus der Schlafzimmertür. Sie hatte ihn kommen hören und war hochgerannt. »Wieso ist er nicht mehr bei seiner Marmorhallen-Lady?« hatte sie gedacht, sie war gerade selbst erst heimgekommen. Das Intermezzo Tills bei seiner Neuen konnte höchstens eine halbe Stunde gedauert haben. Komisch! Und Anna hatte sich die Lockenwickler aus den Haaren gezerrt und ihr altes T-Shirt gegen das neue mit dem hohen Schlitz vertauscht. Es würde Zoff geben, schön stritt sie besser.
»Was soll das?« Till deutete auf den Wust vor seinem Zimmer. Er hatte es dicke. Zuerst Anette, was er denn unangemeldet bei ihr wolle, nein, sie hätte keine Zeit. »Wohl dieser Anselm?« hatte er gefragt, aber sie hatte nur die Schultern gezuckt, als hätte er nicht gerade fast achttausend Mark in sie investiert. Dann war er bei Andrea vorbeigefahren, auf der Fahrt zu ihr hatte er ihr unverdorbenes Jungmädchengesicht vor Augen gehabt, sie würde auf ihn warten, sie hatte sogar eben in der Firma angerufen. Aber sie hatte nicht gewartet, er hatte geklingelt, und niemand hatte ihm aufgemacht. Zuletzt war er bei Ramona gewesen, sie hatte ihm die Tür geöffnet und ihn angesehen wie ein Gespenst. »Es geht jetzt nicht« – »wieso?« – »deine Frau« – »seit wann stört dich meine Frau?« – »es geht eben nicht« – »dann morgen mittag« – »das geht auch nicht«. Waren diese Weiber alle miteinander durchgedreht?
»Was das soll?« wiederholte Anna. »Es ist dein Kram. Sieh zu, was du damit veranstaltest. Mich stört der Plunder.«
»Es ist mein
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