Hexensabbat
Am besten würde es sein, er kochte sich einen Kaffee, einen, in dem der Löffel stehenblieb. Er mußte schon wieder kichern.
Anna ging durch das Eßzimmer und sah Till am Eßtisch sitzen. Vor gut zwei Stunden hatte sie das Klirren im Barschrank gehört, als er sich die Flasche Cognac hochholte. Später hatte das Telefon geläutet, und er hatte das Gespräch auf seinem Zimmer angenommen. Anna hatte sich ohnmächtig gefühlt, weil sie sogar von etwas so Alltäglichem wie diesem Telefon ausgeschlossen war. Nun saß er dort und trank Kaffee, mitten in der Nacht hatte er sich Kaffee aufgebrüht, und seine Tasse stand auf der Granitplatte, direkt auf dem Stein. Es konnte Kränze und Katschergeben, die Hitze konnte durchschlagen. Sonst legte er immer ein Set unter.
Anna ging wortlos an Till vorbei. Sie konnte nicht schlafen. Ihre Zunge fühlte sich pelzig an. Sie mußte etwas trinken.
»Hallo«, sagte er.
»Wie?« Anna blieb stehen.
»Ich sagte hallo.«
»Ach so.« Anna ging weiter. Sie zog die Kühlschranktür auf, nahm eine Flasche »Beste Quelle« heraus, stülpte ein Glas über den Schraubverschluß und knipste das Licht in der Küche wieder aus. In der Diele war es dunkel, aber im Eßzimmer war es noch hell. Als Anna an Till vorbeiging, sah Till auf: »Gute Nacht!«
»Wie?« fragte Anna noch einmal. Sie kam sich dümmlich vor, sie konnte sich einfach keinen Reim darauf machen. Vor ein paar Stunden »ich bring dich um«, und jetzt »hallo!« und »Gute Nacht!« Es gab keinen Sinn.
Till wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, das tat er sonst auch nie. »Ein paar Spielregeln sollten wir schon beachten.«
»So?« Anna hatte geglaubt, er wäre betrunken. So, wie er aussah und wie er sich benahm, könnte es sein, daß er betrunken war. Auch das, was er sagte, klang seltsam. Trotzdem hatte Anna das Gefühl, daß er auf etwas hinsteuerte. Betrunkene taten das nicht, oder?
»Was ist mit Ostern?« Till hatte die Bechertasse mit Kaffee in die Hand genommen, er sah Anna an und stellte die Tasse wieder hin, ohne getrunken zu haben.
»Was soll mit Ostern sein?« Endlich dämmerte Anna, was lief. Aktion Familiensinn, sie wußte, wie sehr Till von der Meinung seiner Familie abhängig war.
»Ostern ist ein Familienfest.«
Anna verspürte ein Kribbeln. Eigentlich war ihr nicht nach lachen, überhaupt nicht. Trotzdem klang dieser Satz total komisch. Julius hatte heute mittag genau dasselbe gesagt: »Ostern ist ein Familienfest.«
»Also?« Till hatte schon wieder die Kaffeetasse in der Hand, das Zeug mußte eiskalt sein; Anna hätte es längst in den Ausguß gekippt.
»Okay«, sagte sie und starrte auf die Hand mit der Tasse. »Ich mache mit beim großen Ostereiersuchen.«
»Du kommst also?«
Till setzte die Tasse wieder ab, ohne auch nur die Lippen damit berührt zu haben.
Anna lächelte. Es war lächerlich. »Du hast mich überzeugt«, sagte sie.
»Du brütest was aus. Wenn du vorhast, eine Szene zu bringen …«
»Ich?« Annas Lächeln wurde rund.
Till lächelte nicht. Vielleicht dachte er an den Katzenanzug und an die Minitulpen in seinen Unterhosen. Seine Frau war für ihn keine fest kalkulierbare Größe mehr. Das machte Anna Spaß. Und er hatte keine Wahl.
Menü »Liebeslust«
»Gestern abend war er bei mir«, sagte Ramona. Sie hatte die Unterlippe vorgestülpt, es sah beleidigt aus und ein bißchen dümmlich.
»Bei mir war er auch«, sagte Andrea. Die beiden Frauen musterten sich. Als würde jede von ihnen auf einen dicken Haufen Unrat sehen, so schauen sie sich an, dachte Anna.
»Till war bei jeder von uns«, fuhr Anna dazwischen. »Aber zuerst war er bei der Marmorhallenlady, ihr habt es selbst gesehen. Wahrscheinlich hat sie ihm einen Korb gegeben.«
»Es könnte auch rein geschäftlich gewesen sein«, widersprach Ramona. Sie hatte eine sehr rechthaberische Art zu reden, wenn sie nicht gerade heulte, fand Anna.
»Nach Feierabend in ihrer Wohnung, wie? Und die Schlemmerreise für achttausend Mark war vermutlich ein Arbeitsmeeting.« Anna gab sich Mühe, leise zu sprechen. Sie saßen in einem Cafe, die meisten Tische waren einzeln besetzt. Wer allein war, mußte bei diesem Gespräch Saugohren bekommen.
»Wer beweist uns überhaupt, daß es stimmt, was du erzählst? Ich weiß nur, daß Till eine Dienstreise nach Hamburg machen mußte«, sagte Ramona. Ihre Stimme war nicht leiser geworden. Im Gegenteil.
»Ich raff’s nicht«, stöhnte Anna. »Wer stand denn neulich heulend bei mir
Weitere Kostenlose Bücher