Hexensabbat
»zartbitter« stand darauf, Anna aß nur Vollmilchschokolade. Es lag ihr auf der Zunge, ihn zu fragen, ob er die Dinger im halben Dutzend billiger bekam, garantiert hatte er nicht nur für sie ein solches Riesen-Ei gekauft. Aber sie schluckte es hinunter, zuckersüß war angesagt. So war es abgesprochen. Till sollte prall anschwellen, Till der Super-Hahn, und dann …
»Dank dir«, erwiderte Anna sanft.
»Wir sollten uns arrangieren.« Er sah sie an, als wartete er auf ihren Widerspruch. »Schließlich sind wir zivilisierte Menschen.«
»Natürlich.« Anna wiegte das Ei in der Hand. Ihre Sanftmut war ihm nicht geheuer, sie spürte es.
»Ist es dir recht, wenn wir in einer halben Stunde losfahren?« fragte er.
»Aber sicher.«
Als sie ins Auto stiegen, hatte Anna nur ihre Handtasche dabei. Till verstaute eine große Plastiktüte im Kofferraum. Ostereier für die Familie, bislang hatte Anna derlei erledigt.
»Für dich«, sagte Julius.
»Für mich?« lächelte Anna. Sie hätte herausplatzen können, die Folie rund um das Riesen-Ei war pistaziengrün und sogar das Etikett war identisch, fast identisch: »Vollmilch, genau das richtige für mich«, rief sie.
»Nicht nur Vollmilch. Schau mal rein«, sagte Julius.
Anna zog an der Schleife und klappte die beiden Hälften auseinander. In der einen steckten die üblichen Pralinen, in der anderen lag ein Flakon. »Mein Lieblingsparfüm«, rief Anna. »Du bist ein Schatz.«
»Liebling, die Mädchen wollen, daß du ihnen suchen hilfst.« Waltraud zog Julius am Ärmel, die Zwillinge waren längst hinter einem Strauch im Garten verschwunden. Waltraud hatte von ihrem Mann Julius einen elektrischen Eierkocher geschenkt bekommen. »Ich mag sowieso kein Süßes«, hatte sie erklärt, »und bei Parfüm bin ich sehr heikel.«
»Kommst du mit?« fragte Julius Anna. Sie nickte, und er nahm sie an der Hand und zog sie Richtung Büsche. Anna war sich sicher, daß Waltraud und Till und wahrscheinlich auch seine Mutter ihnen hinterherstarrten. Es hatte die Runde gemacht, »in Tills Ehe kriselt es«, das jagte ihnen Angst ein. Alles mögliche konnte passieren.
»Bekomme ich keinen Kuß?« fragte Julius, als sie das Ende des Gartens erreicht hatten.
»Logo.« Anna schlang die Arme um seinen Hals. Während sie ihn küßte, konnte sie über die Spitzen der Weidekätzchen hinweg ihre Schwiegermutter und ihre Schwägerin und ihren Ehemann beobachten. Die drei sahen zu ihnen hinüber. Es machte Spaß.
»Ich glaube, ich schenke dir jetzt öfter Ostereier mit Spezialfüllung«, sagte Julius und ließ seine Hand wie zufällig gegen Annas Hüfte pendeln, mit dem Daumen schabte er über den Reißverschluß ihrer Jeans. Seine Töchter waren in der Nähe, die bunten Anoraks leuchteten im Gestrüpp.
»Und Waltraud?« fragte Anna, dabei streifte sie ihn sehr eng, es konnte Zufall sein oder auch nicht.
»Waltraud?« fragte er. »Sie ist vollauf mit den Zwillingen und ihrem Haushalt beschäftigt. Sie ist eher praktisch veranlagt.«
»Und ich?« Anna war nicht weitergegangen, sie stand nun sehr dicht vor ihm.
»Du?« Er ruckte vor, die warme Luft aus seinem Mund traf ihr Gesicht. »Du bist eine Frau mit Phantasie. Ich spüre es. Du und ich …«
So einfach ist das also, dachte Anna. Ein bißchen Schmelz in die Stimme legen und ein leiser Hüftschwung, schon ist die Ehrsamkeit im Arsch. Julius, der vorbildliche Familienvater, er war genauso wie Till, sie könnte ihn haben, seine Frau hatte ja ihren Eierkocher und die Kinder und die Ehre, seine Ehefrau zu sein. Männer machten es sich verdammt leicht. Alle?
»Sarah? Laura?« rief Anna, sie legte die Hände wie einen Trichter um den Mund, ihre Stimme schallte. Die Zwillinge kicherten, sie mußten gleich in der Nähe sein, aber zurück bis zum Haus, wo die anderen standen, waren es etliche Meter. Anna hatte die Lust an dem Spielchen mit ihrem Schwager verloren. Zusammen mit ihren Nichten suchte sie die letzten Schokoladenhasen im Gebüsch. »Kommt«, sagte sie und faßte die eine links und die andere rechts bei der Hand, »eure Mutter wird schon warten.«
»Die Schau mit meinem Bruder hättest du dir sparen können«, sagte Till. Sie waren auf der Heimfahrt. Beim gemeinsamen Mittagessen und Kaffeetrinken war er sehr zuvorkommend gewesen, geradezu vorbildlich. Bis gegen vier Uhr. »Ich glaube, es wird langsam Zeit für uns«, hatte er mit einem Blick auf die Uhr gesagt und sein Gedeck zusammengestellt.
»Kann ich noch ein Stück Hefezopf
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